Wirtschaftskongress im Adlon, Tag 2
SZ Wirtschaftsgipfel: Europa, KI und Standortfragen im Stresstest

Der zweite Tag des SZ Wirtschaftsgipfels rückte Europas sicherheitspolitische Lage, die technologische Wettbewerbsfähigkeit oder auch den Umgang mit Künstlicher Intelligenz ins Scheinwerferlicht. Frankreichs Wirtschaftsminister plädierte für einen "Europe First"-Ansatz, während vor allem die Unternehmerinnen im Berliner Adlon etwas Zukunftsenthusiasmus vermitteln konnten.

Der SZ-Wirtschaftsgipfel startete am Montag mit klaren Appellen von Kanzler Merz: Deutschland müsse digitaler, resilienter und geopolitisch souveräner werden, vor allem durch Investitionen in KI-Infrastruktur und Energieprojekte.

In den Panels herrschte breiter Konsens, dass Bürokratie, langsame Verfahren und fehlende Digitalisierung zentrale Bremsen für Wachstum sind. Zudem wurde über Europas Rolle in der neuen Weltordnung, die Folgen einer zweiten Trump-Amtszeit und den Rückstand bei KI diskutiert.

Dienstag stimmte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zum Start des zweiten von drei Gipfeltagen ein und forderte mit Blick auf die Technologie der Generation: "Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, den Strukturwandel steuern und den Fortschritt flankieren."

Liebesentzug und unterschätzte Ausbildungsstätten

Um die europäische Verteidigungspolitik ging es unter anderem mit Gundbert Scherf, Chef des Drohnenherstellers Helsing, und Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP.

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg gab er zu Protokoll, dass "mehr als 90 Prozent der militärischen Wirkung" auf Drohnen zurückgehen, während sie sich dafür aussprach, dass auch Frauen von der Bundeswehr gemustert werden sollten. Strack-Zimmermann betonte dabei einmal mehr, dass die USA in puncto Ukraine-Unterstützung kein verlässlicher Partner mehr seien und sprach von einem "Liebesentzug".

Kerstin Bund und Bastian Brinkmann moderieren beim SZ Wirtschaftsgipfel (Bild: Leadersnet / Chris Hartung)
Kerstin Bund und Bastian Brinkmann moderieren beim SZ Wirtschaftsgipfel (Bild: Leadersnet / Chris Hartung)

In ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands gab Verena Pausder zu bedenken, dass frühere Generationen wahrscheinlich wenig Verständnis für das "Jammern" aktueller Unternehmer hätten, was die Qualität des Standorts Deutschland angeht - allein der jahrhundertalte Betrieb ihrer Familie hätte zwei Weltkriege überstanden.

Sie verwies auch auf mehr als 500 KI-bezogene Unternehmensgründungen im laufenden Jahr und warnte: "Wir unterschätzen massiv, wie sehr das auch Ausbildungsstätten sind, die wir in Zukunft brauchen."

Roland Lescure plädiert für "Europe First"

Parallel zum Dienstag ebenfalls in Berlin abgehaltenen Summit on European Digital Sovereignty, der stark von deutsch-französischer Kooperation geprägt ist, sprach der Wirtschaftsminister der Grande Nation, Roland Lescure, beim SZ-Event. Im Adlon kritisierte er neben den USA auch China dafür, sich im Freihandel momentan "nicht an die Regeln zu halten“ und forderte, dass "Europa ein industrieller Champion bleibt".

Er sprach sich für einen "Europe First"-Ansatz aus – ironischerweise also nach Vorbild der USA und China, die ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen im internationalen Miteinander häufig oberste Priorität einräumen.

Hagleitner hinter den Kulissen: Katharina und Stefanie Hagleitner beim SZ Wirtschaftsgipfel am Dienstag (Bild: Leadersnet / Chris Hartung)
Hagleitner hinter den Kulissen: Katharina und Stefanie Hagleitner beim SZ Wirtschaftsgipfel am Dienstag (Bild: Leadersnet / Chris Hartung)

Das mehrfach preisprämierte Unternehmen Hagleitner Hygiene präsentierte sich anschließend auf der SZ-Bühne. Die Österreicher befinden sich insofern in einer Übergangsphase, als dass Katharina und Stefanie Hagleitner seit einem halben Jahr neben ihrem Vater Hans Georg in der Geschäftsführung aktiv sind – mit dem Ziel, das Unternehmen ab 2026 alleine, dann bereits in dritter Generation, zu leiten.

Lob für und Warnung vor Automatisierung

Zurück zur Künstlichen Intelligenz ging es mit Leif-Nissen Lundbæk, dem Chef und Gründer von Noxtua, die eine speziell auf Juristen ausgerichtete KI anbieten. Er beruhigte das Publikum, dass Automatisierung in juristischen Angelegenheiten zwar eine große Hilfe ist, robotische Richter aber kein realistisches Zukunftsszenario wären und "bei zentralen Fragen immer ein Mensch im Loop sein" würde.

Daneben forderte er eigene europäische Basismodelle, um sprachliche und gedankliche Abhängigkeit von US-Anbietern zu vermeiden – womit er auf erwähntem Digitalgipfel inhaltlich ebenfalls gut angekommen wäre.  

Beim Panel "KI-Konkret" warnte Ionos-Produktchef Andreas Nauerz gleichzeitig vor exponentieller Automatisierung und großen Herausforderungen für Unternehmen und Beschäftigte. Nauerz plädierte dafür, statt die USA zu kopieren, auf hocheffiziente, lokal lauffähige Modelle zu setzen – etwa für autonome Drohnen und kritische Industrieanwendungen.

(Bild: Leadersnet / Chris Hartung)
Eindruck aus Berlin (Bild: Leadersnet / Chris Hartung)

Dorothee Bär (Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt) betonte hinsichtlich der vom Bundeskabinett verabschiedeten Hightech-Agenda: Forschung und Wirtschaft gehören zusammen – "es soll ganz ausdrücklich auch ums Geldverdienen gehen". Besagte Agenda fokussiert KI, Quantentechnologie, Mikroelektronik, Biotech, Fusion, klimaneutrale Energie und Mobilität.

Bär sprach sich ferner für mehr Gründungsfreiheit für Professoren, weniger kleinteilige Förderung und europäische Bündelung aus, um mit den USA und China mitzuhalten. Sie verwies darauf, dass auch Kanzler Merz Innovation als "höchste Priorität" bezeichnet hat. Bis Frühjahr 2026 sollen konkrete Roadmaps zur Umsetzung der Agenda vorliegen.

Als ehrvolles Highlight wurden beim SZ Wirtschaftsgipfel 2025 einmal mehr die "Gipfelstürmer" ausgezeichnet, die sich durch innovativste Gründungsideen hervorgetan haben. Die diesjährigen Sieger:

  • Food/AgriTech: Colipi (Hamburg)
    Produziert Climate Oil aus CO₂ und Abfällen mittels Mikroorganismen

  • Energy: Heatrix (Bremen)
    CO₂-neutrale Prozesswärme durch Hochtemperatur-Lufterhitzer plus thermischen Speicher

  • Health: Meliodays (München)
    Spirale gegen chronische Gebärmutterentzündungen, die eine Ein-Jahres-Ibuprofen-Dosis lokal abgibt

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