Kaufen oder Verkaufen?
Das Berliner Start-up Yukka will Börsenstimmung messbar machen

Millionen von Nachrichten, eine Kennziffer am Ende: Das Start-up Yukka verdichtet täglich rund zwei Millionen Artikel zu börsenrelevanten Ereignissen bei mehr als 50.000 gelisteten Unternehmen – und liefert daraus ein einziges Signal: kaufen oder verkaufen. Gründer Andreas Pusch, Raumfahrtingenieur und Aktienfan, widerspricht damit der Lehrbuchmeinung effizienter Märkte, nach der neue Informationen binnen Sekunden in Kursen stecken müssten.

Werden Nachrichten langsamer eingepreist als Modelle nahelegen, entstehen Zeitfenster – für Risikoabsicherung, Ausstieg oder Einstieg. Genau hier setzt Yukkas KI an: Sie misst den Stimmungsumschwung ("Sentiment Shift") in Aggregation über Quellen wie Agenturen, Wirtschaftsmedien und Börsenportale. Für Vermögensverwalter ist das ein potenzielles Frühwarnsystem, für Privatanleger ein Kompass gegen Panik und Hype.

So funktioniert das System

Die Software clustert Nachrichten zu Ereignistypen – etwa Gewinnentwicklung, Managementwechsel, Rechtsstreit, Datenlecks oder heikle ESG-Themen wie Kinderarbeit – und berechnet daraus einen Stimmungsindikator. Entscheidend sei weniger die einzelne Meldung als das Kippen der Gesamtlage, sagt Pusch dem manager magazin: "Der Impact einer Meldung wird oft erst nach Tagen oder Wochen wirklich klar … Wirklich entscheidend ist der Zeitpunkt, an dem die Nachrichtenlage – und damit die Stimmung der Anleger – ins Positive oder Negative kippt." Aus Sicht des Gründers sickern Informationen "entsprechend langsam" in die Kurse ein, zumal Signale sich überlagern können.

Seine Ursprungsidee datiert auf 2003, als der Neue Markt kollabiert war und der Dax auf 2.000 Punkte zusteuerte. Damals sortierte Pusch mit Studenten ausgeschnittene Zeitungsartikel – ein Experiment ohne belastbare Reproduzierbarkeit. Nach Stationen in der Vermögensverwaltung stieg er 2010 bei einem studentischen NLP-Team ein, das Maschinen das Lesen beibringen wollte, und übernahm das Start-up vier Jahre später. Seither skaliert er den Ansatz maschinell: fünf Sprachen, Millionen Texte täglich, fortlaufend trainierte Modelle.

Treffsicherheit und Kunden

Yukkas Engine will markante Wendepunkte erfasst haben: Ende Februar 2020 standen die Indikatoren vor dem Corona-Lockdown auf Tiefrot, Ende März sprangen sie auf Grün. Auch während der Zoll- und Handelsturbulenzen um die USA meldete das System früh Verkaufssignale und später Wiedereinstieg. Ganz ohne Reklamekunden ist die Idee nicht geblieben: In unterschiedlichen Ausbaustufen arbeiten laut Pusch Vermögensverwalter und Banken mit der Plattform, darunter BBVA sowie Asset-Manager wie Flossbach von Storch und Universal Investment.

Der Charme der Methode liegt in der Radikalvereinfachung: eine hochaggregierte Kennzahl statt Newsflut. Das reduziert Komplexität – birgt aber das Risiko, dass Nuancen und Kontext verloren gehen. Zudem sind Rückabwicklung, Ausreißer und Regimewechsel in Märkten notorisch schwer zu modellieren; auch Sentiment-Indikatoren können Scheinpräzision erzeugen. Für Profis taugt das Signal daher eher als Ergänzung zu Fundamentalanalyse und Risikomanagement – nicht als Autopilot.

Pusch sieht seine "Maschine" derweil im Reifestadium: Yukka soll wachsen, der Fokus verlagert sich von Entwicklung auf Vertrieb. Gesucht werden Kapital und Partner, die die Kennzahl in Research-Workflows, Portfolio-Steuerung und Kundenkommunikation einbinden. Ob der Ansatz skaliert, entscheidet sich an zwei Punkten: an der Stabilität der Trefferquote über Marktphasen hinweg – und an der Bereitschaft großer Häuser, das eine Zahlensignal in ihre Prozesse zu lassen.

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