Milliardenstrafe wegen Wettbewerbsverzerrung möglich
Europäische Kommission leitet Ermittlungen gegen SAP ein

| Redaktion 
| 25.09.2025

Nachrichtentechnische Achterbahnfahrt für SAP: Das größte deutsche Software-Unternehmen hat am Mittwoch eine bedeutende Kooperation mit OpenAI verkündet – am Donnerstag jedoch teilte die Europäische Kommission mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen den Konzern aus Walldorf eingeleitet hat. Die vorgeworfene Ausnutzung der eigenen Vormachtstellung könnte zu einer Milliardenstrafe führen.

Nach dem unternehmerisch wie wirtschaftlich sehr vielversprechenden Deal mit OpenAI vom Mittwoch, durch den Verwaltungen, Schulen und Universitäten und weitere öffentliche Einrichtungen hierzulande ab nächstem Jahr umfangreich mit hilfreichen KI-Anwendungen versorgt werden sollen, folgt am Donnerstag eine Meldung, die im baden-württembergischen Walldorf mutmaßlich weit weniger freudig aufgenommen wurde: Die Europäische Kommission hat ein Ermittlungsverfahren gegen SAP in die Wege geleitet.

SAP ist ein weltweit führender Anbieter von Unternehmenssoftware und entwickelt Lösungen, die Geschäftsprozesse im Finanz- und Personalwesen, in der Logistik, der Beschaffung oder auch im Kundenmanagement steuern. Als Herzstück fungiert dabei das ERP-System (Enterprise Resource Planning), das Daten zentral zusammenführt – und für die Europäische Kommission den Stein des Anstoßes darstellt.

Kommission kritisiert Einschränkungen und überhöhte Gebühren

Wie sie in ihrer offiziellen Ankündigung zur Sache schreibt, geht es unter anderem darum, dass das Technologieunternehmen seine Kunden verpflichtet, für sämtliche ERP-Lizenzen denselben Wartungs- und Supportvertrag (direkt bei SAP) abzuschließen.

Dadurch werde verhindert, einzelne Module von günstigeren Drittanbietern betreuen zu lassen. Zudem sollen Kunden gezwungen sein, Wartungsverträge auch für ungenutzte Lizenzen weiterzuzahlen. Ferner wird von der Europäischen Kommission bemängelt, dass SAP die Laufzeiten von ERP-Lizenzen systematisch verlängere, wodurch eine Kündigung der Wartungsverträge während dieser Zeit unmöglich sei.

Deutlich beanstandet die Kommission auch die sogenannten Reinstatement- und Back-Maintenance-Gebühren: Wer nach einer Pause wieder zu SAP zurückkehrt, soll Nachzahlungen leisten, die oft so hoch sind, als hätte man die ganze Zeit über gezahlt. Diese Praktiken würden unfaire Kosten erzeugen und Kunden erheblich benachteiligen.

Vizepräsidentin sieht "potenziell wettbewerbsverzerrende Geschäftspraktiken von SAP"

"Tausende Unternehmen in ganz Europa nutzen die Software von SAP für ihre Geschäftsabläufe sowie die damit verbundenen Wartungs- und Supportleistungen. Wir befürchten, dass SAP den Wettbewerb in diesem wichtigen Aftermarket eingeschränkt haben könnte, indem es Konkurrenten den Wettbewerb erschwert und europäischen Kunden weniger Auswahlmöglichkeiten und höhere Kosten beschert", kommentiert Teresa Ribera, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.

Sie führt aus: "Aus diesem Grund wollen wir die potenziell wettbewerbsverzerrenden Geschäftspraktiken von SAP genauer unter die Lupe nehmen, um sicherzustellen, dass Unternehmen, die auf SAP-Software angewiesen sind, frei die Wartungs- und Supportleistungen wählen können, die ihren geschäftlichen Anforderungen am besten entsprechen."

Was kann SAP jetzt machen?

Sollte sich der erhobene Verdacht gegen SAP bestätigen, drohen dem Unternehmen Sanktionen wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Artikel 102 AEUV. Dieser verbietet den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, während sich die Höhe einer möglichen Strafen aus der EU-Kartellverordnung und den Bußgeldleitlinien der Kommission ergibt.

Demnach kann sie Geldbußen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängen. In Anbetracht von zuletzt knapp 34,2 Milliarden Euro könnte für SAP im schlimmsten Fall also eine Strafzahlung von rund 3,4 Milliarden Euro fällig werden.

Allerdings hat der Konzern die Möglichkeit, auf die Vorwürfe der EU-Kommission zu reagieren. SAP kann Verpflichtungszusagen anbieten, sprich Änderungen seines Geschäftsmodells oder einzelner darin beanstandeter Praktiken, um die Wettbewerbsbedenken auszuräumen. Nimmt die Kommission diese Zusagen an, wird das Verfahren ohne Bußgeld oder festgestellte Rechtsverletzung abgeschlossen.

Alternativ kann SAP den Vorwurf bestreiten und sich auf eine langwierige Auseinandersetzung einlassen – mit dem Risiko, am Ende siebenstellig zur Kasse gebeten zu werden.

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