Pressefreiheit massiv gefährdet
Gewalt gegen Journalisten in Deutschland verdoppelt sich

| Redaktion 
| 08.04.2025

Die Angriffe auf Medienschaffende in Deutschland haben sich im Jahr 2024 dramatisch erhöht. Besonders in Berlin und im Umfeld politischer Demonstrationen waren Journalist:innen wiederholt tätlichen Übergriffen ausgesetzt. Reporter ohne Grenzen fordert nun konkrete Maßnahmen von der Bundesregierung, um den zunehmenden Gefahren für die Pressefreiheit zu begegnen.

Die Pressefreiheit in Deutschland gerät zunehmend unter Druck. Laut dem aktuellen Bericht "Nahaufnahme 2025" von Reporter ohne Grenzen (RSF) hat sich die Zahl dokumentierter Übergriffe auf Medienschaffende im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Besonders betroffen sind Journalist:innen, die aus Protestumfeldern oder zum Nahostkonflikt berichten.

Laut der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 10 von 180 Ländern – doch der aktuelle Bericht zeigt deutlich, dass dieser Status alles andere als selbstverständlich ist. Die neue Bundesregierung ist nun gefordert, entschlossen zu handeln.

Berlin als Brennpunkt journalistischer Gewalt

Im Jahr 2024 wurden laut RSF insgesamt 89 Angriffe auf Journalist:innen und Medienhäuser in Deutschland dokumentiert – 75 davon waren körperlicher Natur. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es lediglich 41 Fälle. Besonders auffällig ist die Ballung der Vorfälle in Berlin, wo allein 49 Übergriffe registriert wurden. Die meisten Attacken ereigneten sich am Rande von Demonstrationen zum Nahostkonflikt. Zwei Reporter waren hierbei wiederholt Zielscheibe von Gewalt.

Auch außerhalb der Hauptstadt bleibt das journalistische Arbeiten gefährlich. Vor allem bei rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Versammlungen kommt es immer wieder zu Anfeindungen. Die Dunkelziffer dürfte laut RSF deutlich höher liegen.

Nahost-Berichterstattung im redaktionellen Meinungskorridor

Neben physischen Angriffen sieht RSF auch eine zunehmende Einschränkung der redaktionellen Freiheit. Seit dem 7. Oktober 2023 berichten viele Journalist:innen über einen verengten Meinungskorridor in Bezug auf Israel und Palästina. Beiträge, die die israelische Kriegsführung kritisch beleuchten, hätten in zahlreichen Redaktionen kaum eine Chance auf Veröffentlichung.

"Viele Journalistinnen und Journalisten äußern zudem Angst vor Bloßstellung in anderen Medien und auf Social Media", heißt es in der Analyse. Aussagen palästinensischer Quellen oder von Menschenrechtsorganisationen würden systematisch hinterfragt, während Erklärungen der israelischen Regierung oft unkritisch übernommen würden.

RSF fordert politischen Schutz und journalistische Vielfalt

Trotz eines insgesamt hohen Niveaus an Medienvielfalt in Deutschland warnt RSF vor einem gefährlichen Trend: Die Zahl unabhängiger Lokalzeitungen schrumpft weiter. Lag der Anteil von Landkreisen mit nur einer Lokalzeitung 1992 noch bei 33,5 Prozent, so stieg er bis 2024 auf 46,75 Prozent.

Um dem entgegenzuwirken, fordert RSF unter anderem die steuerliche Anerkennung gemeinnützigen Journalismus und eine plattformunabhängige Förderung journalistischer Arbeit. Besonders der European Media Freedom Act (EMFA) sowie der Digital Services Act (DSA) müssten in der neuen Legislaturperiode entschlossen umgesetzt werden.

Ein weiteres zentrales Anliegen ist der Schutz exilierter Journalist:innen, die auch in Deutschland Bedrohungen aus ihren Herkunftsländern ausgesetzt sind. RSF plädiert für eine strukturelle Förderung des Exiljournalismus sowie für verbesserten Quellenschutz. Vorhaben wie die IP-Vorratsdatenspeicherung oder der Einsatz von Staatstrojanern seien hingegen kontraproduktiv und gefährdeten die investigative Arbeit nachhaltig.

Pressefreiheit braucht Rückhalt

Die Zahlen sind alarmierend – und sie sind ein Weckruf. Eine funktionierende Demokratie braucht eine freie und sichere Presse. Ohne journalistische Unabhängigkeit fehlt die Grundlage für eine informierte Öffentlichkeit. Es liegt nun an Politik, Gesellschaft und Medienhäusern gleichermaßen, dieser Entwicklung entschlossen entgegenzutreten. Denn Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit – sie ist ein fortlaufend zu verteidigendes Gut.

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