Deutsches Weininstitut berichtet
Ernüchternde Bilanz: Geringere Rotwein-Nachfrage gefährdet Anbaugebiete

| Redaktion 
| 10.03.2024

Vor dem Hintergrund der größten Weinmesse der Nation lohnt sich ein Blick auf die trinktechnischen Vorlieben der Bevölkerung. Dass diese nicht nur mit der Qualität, sondern ebenso mit Preisbewusstsein zusammenhängen, könnte mittelfristig zur Stilllegung von deutschen Anbaugebieten führen.

Noch bis Dienstag stehen die Tore der ProWein offen; wir berichteten: Die internationale Fachmesse zieht Genießer von nah und fern nach Düsseldorf, wo weit über 5000 Aussteller die neuesten Feinheiten aus der Welt des Weines vorstellen. Womöglich werden jene von ihnen, die vor allem Rotwein auf der diesjährigen Jubiläumsausgabe der Messe präsentieren, dabei etwas mehr Erfolgsdruck als sonst verspüren – immerhin hat der Klassiker dieser Tage einen schweren Stand.

Dem Deutschen Weininstitut (DWI) zufolge sank der durchschnittliche Weinverzehr im vergangenen Jahr auf 22,5 Liter pro Kopf, was einem Minus von 1,1 Litern gegenüber dem Vorjahr entspricht. Unter Berufung auf das Marktforschungsunternehmen NielsenIQ berichtet das Handelsblatt, dass dabei insbesondere die Popularität von Rotwein leidet:

  • Weißwein verzeichnet mit einem Absatz von etwa 285 Millionen Flaschen (à 0,75 Liter) ein Minus von 4,7 Prozent. Dennoch bedeutet ein dadurch erzielter Umsatz von 994 Millionen Euro ein leichtes Plus (0,5 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr. Dazu dürften an den Endverbraucher weitergegebene Mehrkosten beitragen, die Winzern vor allem durch den Ukrainekonflikt entstehen. Laut Monika Reule, Geschäftsführerin des DWI, sind die Kosten seitdem um 30 Prozent gestiegen

  • Etwa 81 Millionen Rosé-Flaschen wurden 2023 in Deutschland verkauft. Das sind lediglich 0,7 Prozent weniger als im Vorjahr, sodass das Umsatzplus mit 5,5 Prozent (insgesamt 269 Millionen Euro) noch höher als beim Weißwein ausfällt

  • Rotwein-Flaschen wurden letztes Jahr zwar deutlich häufiger an den Konsumenten gebracht als Rosé, die 232 Millionen bedeuten im direkten Vergleich zu 2022 dennoch ein deutliches Minus von 6,5 Prozent. Als einzige der drei Weinsorten weist Rotwein auch beim Umsatz negative Zahlen aus: 890 Millionen Euro sind zwei Prozent weniger als im Vorjahr

Der Beitrag erzählt zudem von Winzern aus Württemberg, die Ende vergangenen Jahres über acht Millionen Liter Wein, was etwa zehn Prozent der Ernte entspricht, zu Industriealkohol destillieren ließen. Das derart viel Wein vom Markt genommen werden muss, sei in Deutschland "seit vielen Jahren" nicht mehr vorgekommen. Monika Reule bestätigt, dass global betrachtet "mehr Wein produziert als getrunken" wird; Branchenschätzungen gehen demnach von einem Überschuss aus, der sich auf über 2,5 Milliarden Flaschen beläuft.

Warum sinkt die Beliebtheit von Rotwein?

"Der Trend geht zu leichteren Weinen mit geringerem Alkoholgehalt", begründet Monika Reule dem Handelsblatt gegenüber und verweist in diesem Zusammenhang auf die Vorlieben jüngerer Zielgruppen. Da Weißwein deutlich besser mit Säften oder Soft Drinks harmoniert als Rotwein, ist er vielerorts als Bestandteil von Mischgetränken gefragt. Zuwanderung und ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein werden ebenso als Gründe für die Verschiebung der Trinkgewohnheiten angeführt.

DWI-Geschäftsführerin Reule erinnert außerdem daran, dass einige Konsumenten in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten auf Wein verzichten würden. Oder zumindest preisbewusster kaufen: Im Schnitt ist eine Flasche Weißwein etwa 50 Cent günstiger als Rotwein.

Sehr zum Unbehagen einheimischer Winzer erfreut sich auch Importwein immer größerer Beliebtheit und macht inzwischen 58 Prozent der hierzulande abgesetzten Flaschen aus. Im selten Atemzug ist der Absatz deutscher Weine nach DWI-Angaben um neun Prozent zurückgegangen. "In Ländern ohne Steillagen und deutschen Mindestlohn lässt sich deutlich günstiger produzieren", stellt Monika Reule nüchtern fest.

Inmitten der sinkenden Nachfrage nach Wein aus Deutschland werden Stimmen lauter, die sich für die Stilllegung von Weinbergen aussprechen. Vorschläge zur alternativen Nutzung umfassen etwa Photovoltaikanlagen oder subventionierte Blühflächen. Bei den französischen Nachbarn wird zum Beispiel die Umstellung auf Oliven finanziell gefördert.

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