Was mich ein Fehlschuss im Old Trafford über die Sales-Karriere lehrte

| Alexander Schöpf 
| 25.04.2023

Sean Evers war Profifußballer – und machte dann eine zweite Karriere im Vertrieb. Was ihn seine Sportler-Laufbahn für den zweiten Lebensabschnitt lehrte, welche Eigenschaften sich Sales und Fußball teilen und welche Fähigkeiten ein:e Vertriebler:in schärfen muss, erklärt er in seinem Gastkommentar.

Einer der aufregendsten Momente meines Lebens dauerte gerade einmal eine Viertelstunde: die ersten Minuten meiner Karriere als Profifußballer. Ich, der Jugendspieler meines Ausbildungsclubs Luton Town, wurde im Schlussspurt unseres Derbys gegen den großen Rivalen FC Watford eingewechselt.

Doch wahrlich prägend für mich als Person war nicht der erste Profieinsatz – sondern die darauffolgende Trainingswoche. Ich trainierte wieder mit der Jugendmannschaft und wir bereiteten uns auf unser Spiel im Youth FA Cup vor, dem englischen Pokalwettbewerb für die Juniorenteams. Mein Trainer nahm mich plötzlich in die Fußballtennishalle mit und befahl mir, auf den dort hängenden Boxsack einzuschlagen. Immer wieder, bis er "Stopp" sage. Also schlug ich zu, immer und immer wieder. Und während ich auf den Boxsack eindrosch, fragte mich der Coach, ob ich mich für etwas Besseres halte? Ob ich, jetzt da ich für die Profis spielte, dem Jugendteam entwachsen sei und nicht mehr so hart arbeiten müsse?

Ich schaute verdutzt. Doch der Trainer fragte nicht aus Bosheit, stattdessen gab er mir einen der wichtigsten Ratschläge meines Lebens: Egal wie talentiert oder intelligent ich sei, ich dürfe nie vergessen, dass der Fleiß, den ich investiere und die Bodenständigkeit, die ich ausstrahle, mich als Individuum ausmachen und meinen weiteren Weg definieren. Ganz gleich, wie groß mein derzeitiger Erfolg auch sein mag.

In meiner Karriere vor meiner Karriere war ich Profifußballer – jetzt bin ich VP of Sales bei dem Tech-Unicorn und CRM-Anbieter Pipedrive. Und Lehrstunden wie diese haben meinen Weg geebnet; als Fußballer und als Vertriebler. Sie lehrten mich unzählige Lektionen über Durchhaltevermögen, den Umgang mit Fehlern oder das Scheitern.

Scheitern heißt lernen

Gerade der Umgang mit Fehlschlägen ist eine der wichtigsten Eigenschaften für jede*n Vertriebsmitarbeitende:n. Denn Misserfolg gehört einfach zum Geschäft. Auf jeden erfolgreichen Sales-Call kommen vier erfolglose – mindestens.

Dementsprechend wichtig ist es, dass Vertriebler:innen diese Erfahrungen nicht als Misserfolg und persönliches Scheitern interpretieren. Es sind vielmehr Lehren; Gelegenheiten zu lernen und sich zu verbessern. Warum hat der Lead abgelehnt? Was kann ich aus dem Gespräch ziehen, um die nächste Konversation zu verbessern? Muss ich das Angebot anpassen? Meine Gesprächsführung trainieren?

Ein 'Nein' ist natürlich frustrierend, aber wir müssen lernen, sie für uns zu nutzen. So wie ich als Fußballer aus schwierigen Situationen lernen musste. Etwa als ich in einem Spiel gegen Manchester United im altehrwürdigen Old Trafford alleine auf den Torhüter zulief – und den Ball verstolperte. Eine Erfahrung, für die ich mir übrigens auch heute noch Sprüche meiner ehemaligen Teamkollegen anhören muss.

Das Team steht über allem

Apropos Team: Auch hier gibt es erstaunliche Parallelen zwischen dem Fußball und dem Vertrieb. In beiden Berufsfeldern ist das Verhältnis zwischen den einzelnen Mitgliedern und dem Team sehr ambivalent. Fußballer:innen wie Vertriebler:innen sind zwar Teil einer Gemeinschaft – und doch versuchen sie sich oft innerhalb des Teams wie gegen einen Konkurrenten durchzusetzen. Fußballer:innen etwa, um den nächsten lukrativen Vertrag zu unterzeichnen; Vertriebler:innen, um den großen Deal abzuschließen und den Bonus für sich zu sichern.

Dabei ist Teamfähigkeit – neben der Fähigkeit, mit Misserfolg und Druck umzugehen – für mich die entscheidende Eigenschaft eines jeden Vertrieblers. Bei mir prägte diese Fähigkeit die Kabinenansprache eines ehemaligen Trainers vor einem wichtigen Spiel. Er schwor uns mit den Worten ein: "Einer von euch wird heute einen schlechten Tag haben." Zunächst waren wir uns unsicher, was er meint. Dann führte er aus: "Und das ist keine böse Absicht dieser Person. Es ist schlicht das Gesetz der Regelmäßigkeit. Es liegt an euch, dieser Person beizustehen und durch diese Phase zu helfen. Denn wenn ihr euch nicht als Team definiert, dann werdet ihr mehr verlieren als gewinnen!"

In Momenten wie diesen verstand ich die Wichtigkeit des Teams. Die Bedeutung, Seite an Seite zu stehen, Learnings und Erfahrungen zu teilen, niemandem die Schuld zuzuschieben. Es ist wichtig, solche Fähigkeiten in Berufsfeldern wie dem Vertrieb anzuwenden. Auch wenn Sales manchmal mittels Erfolgsboni und Co – zumindest augenscheinlich – Individualismus über den Teamgeist incentiviert. Wir müssen uns in solchen Momenten vor Augen führen, dass Erfolg als Team auch individuellen Erfolg bedeutet. Werden Teamziele erfüllt, der Gesamtumsatz gesteigert, gemeinsamer Erfolg gefeiert, dann profitieren am Ende alle. Und zwar mehr, als es das Individuum bei guten Einzelleistungen, aber ausbleibendem Gesamterfolg, jemals könnte.

Die Lernkurve stoppt nie

Doch so wichtig dieser Teamerfolg ist, so sehr er auch zusammenschweißt: Erfolg ist flüchtig. Und das bringt mich zu meiner eingänglichen Anekdote zurück. Als ich auf den Boxsack einschlug und mich mein Trainer fragte, ob ich mich auf dem Erfolg des Profieinsatzes ausruhen wolle – wie aber auch in zahlreichen anderen Momenten meiner Profikarriere – lernte ich eine unbeschreibliche Menge über den richtigen "Arbeitsethos".

Als Fußballer mussten wir stets hart trainieren, uns immer weiter pushen, verbessern, schneller laufen. Ein gutes Spiel brachte nichts, wenn man danach locker ließ. Wir hätten uns unweigerlich auf der Bank wiedergefunden. Ähnliches gilt für den Vertrieb.

Doch Vorsicht: Ich will niemals eine "Das Beste ist nicht gut genug"-Mentalität propagieren. Nein, vielmehr will ich die Sinne schärfen, dass selbst der größte Erfolg nicht dazu führen darf, uns selbst nicht zu verbessern. Der Markt wandelt sich stetig, die Kundenbedürfnisse und -anforderungen wechseln unaufhörlich. Dazu braucht es nur einen Blick auf die Coronapandemie. Plötzlich wurde aus der Face-to-Face-Branche "Vertrieb" – in der das Händeschütteln über alles ging – zu einem Online-Geschäft. Zoom-Meetings und Online-Demos schlugen vor-Ort-Meetings; nun mussten wir alle lernen, Kundenbeziehungen digital aufrecht zu erhalten. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen. Wie im Fußball müssen wir uns im Vertrieb gewiss sein: Die Welt entwickelt sich weiter und wir müssen es auch. Die Lernkurve endet nie!

Jede:r hat ein persönliches Old Trafford

Natürlich weiß ich, dass nur die wenigsten Vertriebler Ex-Fußballer sind, die aus einem Fehlschuss im Old Trafford Karriere-Weisheiten ziehen können. Doch unser Arbeitsethos, unser Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen, das Teamplay sind universelle Eigenschaften, die den Erfolg im Sales definieren. Und jeder von uns hat bereits Erfahrungen gesammelt, aus denen er diese Eigenschaften formen und schärfen kann. Ganz gleich, ob diese auf dem Fußballplatz, im Schulalltag oder dem Berufsfeld gemacht wurden. Lasst uns diese Anekdoten suchen – und die passenden Learnings ziehen.

www.pipedrive.com


 

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Über den Autor

Sean Evers ist als VP of Sales bei Pipedrive für die Entwicklung von Vertriebsplänen und -strategien verantwortlich und leitet die Vertriebsteams in der täglichen Arbeit. Sean verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Verkauf, darunter als Head of Global Sales bei Circle UK und VP of Sales bei Sage.

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Über den Autor

Sean Evers ist als VP of Sales bei Pipedrive für die Entwicklung von Vertriebsplänen und -strategien verantwortlich und leitet die Vertriebsteams in der täglichen Arbeit. Sean verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Verkauf, darunter als Head of Global Sales bei Circle UK und VP of Sales bei Sage.

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