Bahn verspricht mehr Pünktlichkeit, Sauberkeit und Service
Bahnchefin Evelyn Palla kündigt härteste Reform seit Jahrzehnten an

| Redaktion 
| 19.10.2025

Evelyn Palla macht Ernst: Mit einem radikalen Reformplan will die neue Vorstandschefin die Deutsche Bahn von Grund auf umkrempeln. Kundenservice, Pünktlichkeit und Entscheidungsstrukturen sollen neu gedacht werden. Die große Herausforderung: der Umbau eines 225.000 Mitarbeitende zählenden Staatskonzerns unter laufendem Betrieb.

Seit 1. Oktober 2025 steht Evelyn Palla an der Spitze der Deutschen Bahn. Mit ihrem "Neustart"-Programm stellt sie bestehende Strukturen, Prozesse und Führungsmodelle radikal in Frage. Ihr Ziel: die Bahn pünktlicher, sauberer und kundenorientierter machen. Dabei setzt sie auf Dezentralisierung, Digitalisierung und ein Milliardenbudget für Instandhaltung. Die Umwälzungen betreffen alle Bereiche des Konzerns, vom Management bis zum Bahnhofskiosk.

Was plant Evelyn Palla konkret?

Die neue Bahnchefin verfolgt eine mehrstufige Strategie:

  • Dezentralisierung: Entscheidungen sollen nicht mehr zentral in der Berliner Konzernzentrale getroffen werden, sondern vor Ort bei den operativen Einheiten. Damit will Palla langwierige Abstimmungsprozesse verkürzen und praxisnähere Entscheidungen ermöglichen.

  • Job-Priorisierung: Jeder Arbeitsplatz in der Verwaltung wird auf seinen Beitrag zur Kundenzufriedenheit geprüft. Ziel sei es, ineffiziente Strukturen abzubauen und stattdessen operative Exzellenz zu fördern.

  • Führungsetagen im Visier: Die Chefetagen müssen sich an der Umsetzungsqualität messen lassen. "Für mich zählen nur Ergebnisse", so Palla. Diese Ansage könnte für Unruhe unter langgedienten Führungskräften sorgen.

  • Sauberkeit und Komfort: Züge und Bahnhöfe sollen zur Visitenkarte der Bahn werden. Palla persönlich will sich darum künftig verstärkt kümmern. Neue Reinigungskonzepte und Kundenfeedback-Schleifen sollen eingeführt werden.

  • Keine Preiserhöhung trotz Baustellen: Trotz anhaltender Sanierungen verzichtet die Bahn auf eine Preisanpassung zum Fahrplanwechsel. Dies sei ein Signal an die Kundschaft, dass Leistung und Preis wieder in Einklang gebracht werden sollen.

Darüber hinaus soll auch das interne Berichtswesen vereinfacht, der Digitalisierungsgrad erhöht und die Rolle der Mitarbeitenden im operativen Bereich gestärkt werden. Palla will damit nicht weniger als einen völligen Neustart erzwingen. "Ich setze auf einen kompletten Neuanfang. Dafür müssen wir alles anders machen als vorher", sagte sie laut Bild am Sonntag. Diese Aussage unterstreicht ihren Führungsanspruch und signalisiert einen klaren Bruch mit der bisherigen Konzernpolitik.

Welche Herausforderungen behindern die Pünktlichkeit?

Die aktuelle Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr liegt unter 60 Prozent. Die Ursachen sind vielschichtig:

  1. Veraltete Infrastruktur: Schienen, Weichen und Stellwerke sind teilweise Jahrzehnte alt. Ersatzteile für einige Systeme sind schwer beschaffbar.

  2. Dauerbaustellen: Die große "Generalsanierung" betrifft bis 2036 rund 4.200 Kilometer Hauptstrecke. Gleichzeitig können nur wenige Alternativrouten genutzt werden.

  3. Wetterbedingte Ausfälle: Starkregen, Stürme und Hitzeperioden beeinträchtigen den Betrieb zunehmend. Der Klimawandel wird zur infrastrukturellen Dauerherausforderung.

  4. Technische Defekte: Ausfälle bei ICE-Zügen, Stellwerken und Bordbistros sorgen für Unmut bei den Reisenden. Ersatzteilmangel und lange Reparaturzeiten verschärfen das Problem.

  5. Engpässe im Personal: In vielen Bereichen herrscht Fachkräftemangel, besonders bei Fahrdienstleitungen und Lokführern.

Ein digitales Baustellen-Tool im DB Navigator soll hier Transparenz schaffen und die Reiseplanung verbessern. Die App soll außerdem Echtzeitdaten zu Umleitungen, Ersatzzügen und Bauzeiten enthalten.

Wie viel investiert die Bahn in den Umbau?

Laut Konzernangaben werden über 100 Milliarden Euro in das Schienennetz investiert. Ziel ist es, bis 2029 die Pünktlichkeit im Fernverkehr auf mindestens 70 Prozent zu heben, langfristig auf 90 Prozent. Die Investitionen stammen teils aus Bundesmitteln, teils aus Eigenmitteln der Bahn.

Die "Korridorsanierung" umfasst:

  • Erneuerung ganzer Streckenabschnitte statt punktueller Eingriffe

  • Koordination aller Gewerke auf einmal, um Folgebaustellen zu vermeiden

  • Digitalisierte Bauplanung zur Beschleunigung der Umsetzung

  • Einsatz lärmreduzierender Baumaschinen und nachhaltiger Materialien

Außerdem sollen rund 400 Bahnhöfe modernisiert werden, darunter zahlreiche Umsteigeknoten. Verbesserte Beleuchtung, barrierefreie Zugänge und neue Informationssysteme gehören zum Standardpaket.

Welche Rolle spielt die Politik?

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) unterstützt Evelyn Palla offen. Gemeinsam präsentierten sie jüngst die neue ICE-Generation. Der Bund erwartet konkrete Verbesserungen im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Laut Palla: "Gemeinsam kriegen wir's hin."

Im Gegenzug sicherte das Verkehrsministerium langfristige Investitionszusagen zu. Ein neues Kontrollgremium unter Beteiligung unabhängiger Expert:innen soll die Fortschritte überwachen und öffentlich dokumentieren.

Welche Maßnahmen sollen das Kundenerlebnis verbessern?

Die Bahn will sich laut Palla nicht länger mit Placebo-Maßnahmen zufriedengeben. Stattdessen soll das Reiseerlebnis von der Buchung bis zur Ankunft durchgängig verbessert werden:

  • Modernisierte App: Der DB Navigator wird zur digitalen Mobilitätsplattform mit Schnittstellen zu ÖPNV, Bike- und Carsharing.

  • Neues Bordbistro-Konzept: Frischere Speisen, mehr Sitzplätze und verbesserte Verfügbarkeit.

  • Stabileres WLAN: Netzausbau entlang der Hauptkorridore und neue Technik für gleichbleibende Verbindung.

  • Erweiterte Kundenservices: Echtzeitinfos bei Störungen, neue Kulanzregelungen und mehrsprachige Betreuung in Fernzügen.

Auch kommunikativ will sich die Bahn näher an die Kundschaft heranbewegen – etwa durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen mit prominenten Gesichtern wie Anke Engelke als neue "Zugchefin".

Fazit: Die Bahn steht vor einem historischen Wendepunkt

Mit Evelyn Palla an der Spitze stellt sich die Deutsche Bahn einer ihrer größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Der angekündigte Umbau ist nicht weniger als eine Generalüberholung – strukturell, technisch und kulturell. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es der Bahn gelingt, Vertrauen zurückzugewinnen und sich als leistungsfähiger Mobilitätsdienstleister im 21. Jahrhundert neu zu positionieren. Sicher ist: Die Zeit der Ausreden scheint vorbei zu sein.

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV