Kognitives Offloading
KI macht dumm und unselbstständig – wenn wir es zulassen

| Redaktion 
| 20.07.2025

"Die größte Gefahr der KI besteht vielleicht nicht darin, dass sie uns irgendwann vernichtet", gibt Dr. Rebekka Reinhard zu bedenken. Für durchaus möglich hält die Philosophin und Magazingründerin stattdessen, "dass sie uns schon sehr bald verblöden lässt": Mit wachsender Selbstverständlichkeit wird kognitive Selbstständigkeit auf dem Altar der Bequemlichkeit geopfert.

"Wer regelmäßig auf KI zurückgreift, um schnelle Antworten oder Lösungen zu erhalten, könnte die Fähigkeit verlieren, eigenständig zu recherchieren oder Probleme kreativ zu lösen. Dies kann langfristig das kritische Denken schwächen, da die Bequemlichkeit der Technologie die Motivation mindert, sich intensiv mit einer Frage auseinanderzusetzen", gibt Grok – der KI-Assistent von X auf unsere (im Kontext dieses Artikels durchaus ironisch zu verstehende) Nachfrage unumwunden zu.

Neu ist diese Erkenntnis nicht: Weit über den professionellen Kontext hinaus stellt es für eine wachsende Anzahl an Menschen ein echtes Problem dar, wenn ChatGPT, Grok oder der jeweilige KI-Assistent des Vertrauens aufgrund temporärer Technikprobleme mal nicht mit Rat und Auskunft zur Seite steht.

Viele Beobachter sehen besonders jüngere Generationen davon "betroffen", die sich der Situation oftmals jedoch durchaus bewusst zu sein scheinen:

Screenshot eines selbstkritisches Meme von TikTok-User surowtf
Screenshot eines selbstkritisches Memes von TikTok-User surowtf (hinterlegter Link führt zum Originalposting mit automatisch abspielender Musikuntermalung)

"KI ist eine große Chance, unsere Arbeitswelt menschlicher zu machen, indem sie uns Routineaufgaben abnimmt. Sie ist auch eine große Chance für die Demokratie, indem sie besseren Zugang zu Informationen und Bildung ermöglicht", stellte Dr. Rebekka Reinhard, Gründerin des KI-bezogenen Fachmagazins human bereits 2023 im Leadersnet-Interview fest.

Kognitives Offloading als unwiderstehliche Versuchung

Auf LinkedIn beleuchtete Reinhard die prägende Technik unserer Zeit kürzlich aus einem kritischeren Blickwinkel: "Die größte Gefahr der KI besteht vielleicht nicht darin, dass sie uns irgendwann vernichtet", schreibt sie dort. "Sondern dass sie uns schon sehr bald verblöden lässt."

Besondere Abhängigkeitsgefahr sieht die Philosophin und KI-Expertin durch die "unwiderstehliche Versuchung" des kognitiven Offloading. Sie zieht den Vergleich zu einem Autofahrer, der sich nach einem GPS-Ausfall nicht mehr eigenständig fortbewegen kann und appelliert: Die Menschheit wird die "gigantischen Chancen der künstlichen Intelligenz" nur für sich nutzen können, wenn sie sich die Fähigkeit bewahrt, ohne sie zurechtzukommen.

 
 
 
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"Wir müssen KI so einsetzen, dass sie Lerneffekte erzeugt, nicht nur Bequemlichkeit. Und wir brauchen Umgebungen, die kritisches Denken fördern und belohnen", erklärt Reinhard mit der Betonung, dass dies insbesondere in Unternehmen wichtig sei. "Es sind Dissens und Konflikt, die uns innovativ machen - nicht KI-gestützte Harmoniesauce, nicht Command & Control, nicht das ewig Gleiche."

Die erste Ausgabe des human Magazins für dieses Jahr ist unter Lizenz der Holderstock Media GmbH erschienen und im gutsortierten Zeitschriftenhandel zu finden. Ab der Ausgabe 02 / 2025 wird die philosophy works GmbH als Herausgeber fungieren; die Veröffentlichung ist für den November angepeilt. 

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