Bild-Kolumnist und Boulevard-Legende
Franz Josef Wagner ist tot

| Redaktion 
| 07.10.2025

Nie wieder Post von Wagner: Wie die Bild-Zeitung am Dienstagvormittag bekanntgegeben hat, ist Franz Josef Wagner im Alter von 82 Jahren "im Berliner Franziskus-Krankenhaus eingeschlafen". Der Journalist, Kriegsreporter und Schriftsteller wurde vor allem für seine Arbeit bei Axel Springer bekannt, wo er bis zu seinem Tod mit seiner täglichen Kolumne beobachtet, bewegt, belustigt und provoziert hat.

Franz Josef Wagner erblickt das Licht der Welt mitten im Zweiten Weltkrieg: Am 07. August 1943 wird er in Olmütz, das heute zu Tschechien gehört, geboren. Nach der Vertreibung wächst er in Regensburg auf und hält sich als junger Mann mit Gelegenheitsjobs in Genf und Paris über Wasser, bevor er als Volontär bei der Nürnberger Zeitung landet.

Ab den 1960er-Jahren arbeitet er vor allem für den Axel-Springer-Verlag, wobei es ihn als Kriegsberichterstatter unter anderem nach Israel oder Vietnam verschlägt. Im Anschluss an seine Zeit als Chefreporter der Bild schließt sich Wagner Ende der 1980er dem Hubert-Burda-Verlag an und tritt dort primär als Chefredakteur der Illustrierten Bunte prominent in Erscheinung.

1998 kehrt er zurück zu Springer und führt dort die Berliner Zeitung an, ehe ihm der damalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann die Rolle des Chefkolumnisten auf den Leib schneidert. Mit seiner täglichen Bild-Kolumne "Post von Wagner" führt Franz Josef Wagner diese Rolle von 2001 bis zu seinem Tod aus.

Nachruf aus der Ferne

Mit jener täglichen Kolumne wurde Franz Josef Wagner auch für Zeitungsleser dieses Jahrtausends zur Institution. Und zur Reizfigur: Der "Bild-Poet" schrieb oft in einfachen Sätzen und nutzte gern Sprachbilder, die stets unvorhersehbar zwischen kitschig und kraftvoll rangierten.

Für die einen war das Kunst im kleinen Format, für andere sentimentales Gewäsch vom Boulevard. Sicher ist: Wagners Sprache war klar, emotional und manchmal überzogen, aber immer unverwechselbar.

Selbst, wenn man inhaltlich mitunter ganz anderer Meinung als FJW war, konnte man sich der Wirkung seiner Worte kaum entziehen. Routinierte Leser saugten seine übersichtlich komprimierten Gedanken innerhalb weniger Sekunden auf – die bewusste Knappheit hatte womöglich also auch hier Methode; es gab nie einen echten zeitlogistischen Grund, um "Post von Wagner" zu überspringen.

Franz Josef Wagner mit Maria Furtwängler und Dr. Hubert Burda bei der Bambi-Verleihung 1994 (Bild: Brauer Photos / Sabine Brauer)
Franz Josef Wagner mit Maria Furtwängler und Dr. Hubert Burda bei der Bambi-Verleihung 1994 (Bild: Brauer Photos / Sabine Brauer)

Er verpackte seine Ansichten mit einem eigentümlichen Unterhaltungswert, der in der deutschen Publizistik extrem selten geworden ist. Widersprüchlich, menschlich, manchmal schmerzhaft ehrlich. In ihren besten Momenten vermittelten seine Kolumnen das Gefühl, als hätte man noch einen Großvater, der weiter mit der beobachtenden Neugier eines jungen Mannes durch den Alltag geht.

Franz Josef Wagner wirkte wie einer der letzten aktiven Repräsentanten einer Zeit, in der Journalismus noch nach Schweiß und Schreibmaschine roch.

Eine Ära der Präsenz; vor dem Internet, vor Social Media, vor Künstlicher Intelligenz – als Redakteure noch kettenrauchend und leicht angetrunken bis tief in die Nacht schrieben und am Satz mitarbeiteten, um am nächsten Morgen ein auf Papier gedrucktes Produkt in den Händen zu halten, das etwas bedeutet.

Franz Josef Wagner (rechts) bei der bei der Verleihung der Goldenen Feder 2002 in der Handelskammer Hamburg; neben Sven Hannawald, Helmut Lotti und Prof. Dieter Stolte (Bild: Brauer Photos)
Franz Josef Wagner (rechts) bei der bei der Verleihung der Goldenen Feder 2002 in der Handelskammer Hamburg; neben Sven Hannawald, Helmut Lotti und Prof. Dieter Stolte (Bild: Brauer Photos)

Man konnte es ulkig finden, wie sich Franz Josef Wagner mit einem Glas Wein – oder zwei – und seinen filterlosen Zigaretten bis ins hohe Alter hinter die Tastatur gesetzt hat, um seinen Blick auf die Dinge mit uns zu teilen. Man konnte das für überflüssig halten. Ein Mann aus einer anderen Zeit, der die Gegenwart trotzdem täglich kommentiert, findet in einer wandelhaften Welt nicht nur Freunde.

Und doch liegt im Bild des unbekümmert lasterhaften Kolumnisten der Alten Schule etwas zutiefst Charmantes. Bis zum Ende schien ihm Journalismus mehr Lebensform als Karriere zu sein; das Schreiben eine feste Eigenschaft der eigenen Persönlichkeit und ein Ventil für die Gewohnheit zur Mitteilung – wohlgemerkt auch mit über 80 noch bei der mit Abstand auflagenstärksten Zeitung der Nation.

Seien wir ehrlich: Vermutlich würden diverse Berufsgenossen, die Franz Josef Wagners späteres Schaffen zu Lebzeiten belächelt haben, insgeheim sehr viel dafür geben, ihre finalen Jahre auf ganz ähnliche Weise verbringen zu dürfen.

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