Finanzierungen verschieben sich nach Süden
Startup-Investitionen: Bayern überholt Berlin bei Risikokapital und Mega-Deals

Die deutsche Startup-Landschaft erlebt eine tektonische Verschiebung: Zum ersten Mal seit Jahren liegt Bayern bei Risikokapital-Investitionen deutlich vor Berlin. Ein Milliarden-Schub für Unternehmen aus den Bereichen KI, Verteidigungstechnologie und Energielösungen verändert die Startup-Karte Deutschlands nachhaltig. Die Hauptstadt gerät unter Druck, während der Freistaat zur Hochburg für Zukunftstechnologien wird.

Mit einem Finanzierungsvolumen von knapp 2,1 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2025 überholt Bayern deutlich die langjährige Startup-Hochburg Berlin, die auf 1,5 Milliarden Euro kommt. Laut EY Startup-Barometer ist damit fast jeder zweite Euro an deutschem Risikokapital im Freistaat gelandet. Die Kapitalverschiebung folgt dem Trend zu sicherheitsrelevanten und technologisch hochspezialisierten Branchen. Zudem verzeichnen Startups aus dem Süden eine stärkere Integration in industrielle Netzwerke und Hochschullandschaften, was nicht nur Investoren überzeugt, sondern auch die Skalierung von Geschäftsmodellen beschleunigt.

Bayern profitiert von geopolitischen Megatrends

Während Berlin weiterhin die größte Anzahl an Finanzierungsdeals zählt, hat Bayern in puncto Volumen die Nase vorne: Sechs der zehn größten Finanzierungsrunden fanden dort statt. Der größte Deal ging an das Münchner KI-Startup Helsing (600 Mio. Euro), gefolgt von Green Flexibility aus Kempten (400 Mio. Euro). Erst auf Platz drei folgt mit AMBOSS (240 Mio. Euro) ein Berliner Unternehmen.

EY-Partner Thomas Prüver analysiert: "Das bayerische Startup-Ökosystem hat seine Stärken im Technologie-Sektor – das ist genau der Bereich, der derzeit besonders im Fokus der Investoren steht." Die geopolitische Lage (Ukraine-Krieg), der Fokus auf Verteidigung sowie die Energiewende spielen Bayern strukturell in die Karten. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die Nähe zu großen Konzernen wie Siemens, BMW oder Infineon, die zunehmend in lokale Innovationsnetzwerke eingebunden sind und als Kunden, Kooperationspartner oder strategische Investoren auftreten.

KI, Software, Education und Energie als Treiber

Mit rund 1,5 Milliarden Euro fließen die meisten Investitionen in Startups aus dem Bereich Software & Analytics, dicht gefolgt von KI-Anwendungen, Education-Startups (+1.520 Prozent zum Vorjahr) und PropTech (+1.416 Prozent). Die Energiesparte wuchs um 164 Prozent auf 922 Millionen Euro. Besonders gefragt: Lösungen zur Energiegewinnung, Speichertechnologien und smarte Optimierungssoftware.

Prüver sieht den Software-Boom erst am Anfang: "Wir stehen gerade erst am Anfang der Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz, die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie in Unternehmen werden rasant steigen." Ein wichtiger Treiber sei laut EY zudem die zunehmende regulatorische und gesellschaftliche Unterstützung für nachhaltige Technologien. Auch im Bereich digitaler Bildungstools, etwa für Fachkräftefortbildung oder Lernplattformen in Unternehmen, ergeben sich neue Marktpotenziale, die gezielt durch Venture Capital erschlossen werden.

Deutschlandweit positiver Trend trotz geopolitischer Lage

Deutschlandweit stieg das Finanzierungsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 34 Prozent auf knapp 4,6 Milliarden Euro. Die Zahl der Deals legte um sieben Prozent auf 391 zu. Besonders auffällig: Die Anzahl der Mega-Deals über 100 Millionen Euro hat sich mehr als verdoppelt. Einzig im Bereich zwischen 50 und 100 Millionen Euro ist ein Rückgang zu verzeichnen.

Neben Bayern und Berlin spielt zunehmend auch Baden-Württemberg eine Rolle im deutschen Startup-Ökosystem. Mit Fokus auf industrielle Anwendungen und Robotik gelingt es dortigen Jungunternehmen ebenfalls, größere Summen einzuwerben – ein Trend, der sich laut EY in den kommenden Quartalen verstärken dürfte. Auch Nordrhein-Westfalen gewinnt an Relevanz, insbesondere im Bereich Logistik- und B2B-Plattformen.

Trotz aller Krisen scheint das Startup-Umfeld robuster denn je. Prüvers Fazit: "Die Mehrheit der Startups hat die Herausforderungen angenommen, das Ökosystem als Ganzes ist offenbar gestärkt aus dieser Phase hervorgegangen." EY erwartet für die zweite Jahreshälfte weitere Großrunden, insbesondere in den Sektoren GreenTech, HealthTech und Defense AI. Die anhaltend hohe Nachfrage nach technologischen Lösungen macht Deutschland erneut zum Fokus internationaler Kapitalgeber.

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