3000-Euro-Kaschmirjacke für 80 Euro produziert
Loro Piana wegen Ausbeutung in der Lieferkette unter Zwangsverwaltung gestellt

| Redaktion 
| 15.07.2025

Das Luxuslabel gerät ins Visier der Justiz: Es steht nun ein Jahr in Italien unter gerichtlicher Aufsicht, weil es Ausbeutung in seiner Lieferkette nicht verhindert haben soll. Demnach fertigten chinesische Arbeiter unter prekären Bedingungen Kaschmirjacken für 80 Euro, die später für bis zu 3.000 Euro verkauft wurden. Obwohl das Unternehmen nicht direkt beschuldigt wird, werfen die Richter grobe Kontrollversäumnisse vor.

Nach ähnlichen Fällen bei Armani, Dior und Valentino stellt ein Mailänder Gericht auch das Luxuslabel Loro Piana unter einjähriger Justizaufsicht. Dem Unternehmen, das heute von Antoine Arnault – Sohn des französischen LVMH-Milliardärs Bernard Arnault – geführt wird, wird keine direkte Schuld angelastet. Dennoch wirft das Gericht dem Traditionshaus vor, über Jahre hinweg eine Produktionsstruktur geduldet zu haben, in der chinesische Arbeiter unter ausbeuterischen Bedingungen tätig waren. Ziel sei gewesen, Kosten zu senken und Gewinne zu maximieren.

Die Richter betonen, Loro Piana habe weder selbst ausgebeutet noch gesicherte Kenntnis von den Arbeitsbedingungen gehabt. Doch durch gravierende Mängel in den Kontrollmechanismen habe das Unternehmen die Ausbeutung fahrlässig begünstigt. In mehreren Werkstätten – geschlossen durch die Carabinieri – waren asiatische Arbeiter ohne Verträge, unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen, mit überlangen Schichten und unzureichender Entlohnung beschäftigt worden. Ein Betreiber wurde am 13. Mai 2025 wegen illegaler Arbeitsvermittlung verhaftet, wie der Corriere della Sera berichtet.

Externer Justizverwalter soll unterstützen

Ähnliche Maßnahmen nach Artikel 34 des italienischen Antimafia-Gesetzes wurden zuvor gegen andere Luxusmarken verhängt. Dabei handelt es sich nicht um strafrechtliche Sanktionen, sondern um die Bestellung eines externen Justizverwalters, der die Unternehmensführung bei der Behebung struktureller Defizite unterstützt.

Laut den Ermittlungen des Staatsanwalts Paolo Storari vergab Loro Piana Teile der Jackenproduktion an die Evergreen Fashion Group srl in Mailand, die selbst über keine Produktion verfügte. Evergreen beauftragte die Sor-Man snc, die wiederum zwei chinesisch geführte Betriebe in Baranzate und Senago mit der Fertigung beließ. Dort arbeiteten Migranten ohne Aufenthaltstitel, in unsicheren Werkstätten, oft auch nachts oder an Feiertagen, unter Missachtung aller arbeitsrechtlichen Mindeststandards.

Audits, die keine Audits waren

Die Carabinieri fanden in den Werkstätten Produktionsunterlagen und Etiketten von Loro Piana. Eine E-Mail vom 18. November 2024 dokumentiert die Kommunikation zwischen Sor-Man und einem Prüfer der externen Audit-Firma Nexia Audirevi, die im Auftrag von Loro Piana tätig war. Die Mitinhaberin von Sor-Man erklärte der Staatsanwaltschaft, sie habe die chinesischen Firmen beauftragt und Evergreen darüber informiert. Loro Piana habe mehrfach Audits bei Sor-Man durchgeführt, jedoch ohne die tatsächlichen Produktionskapazitäten zu prüfen. Der Buchhalter von Evergreen bestätigte in seiner Aussage, dass sein Unternehmen weder Maschinen noch Personal für die Produktion hatte.

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass es sich um ein strukturell angelegtes System zur Umgehung arbeitsrechtlicher Vorschriften handelte. Ziel sei gewesen, die Produktivität in kurzer Zeit zu steigern, Kosten zu senken und die Marge zu erhöhen. Loro Piana habe es über Jahre versäumt, die tatsächlichen Produktionsbedingungen entlang der Lieferkette wirksam zu kontrollieren. Die internen Audits seien eher formaler Natur gewesen. Die nachträgliche Kündigung des Vertrags mit Evergreen am 21. Mai wiege wenig, nachdem der Betreiber von Clover – dem Unternehmen, das Evergreen beauftragte – bereits acht Tage zuvor festgenommen worden war.

Astronomische Gewinnspannen

Die Produktionskosten für eine Kaschmirjacke lagen laut Ermittlungen bei rund 100 Euro. In den Boutiquen wurden diese Modelle für bis zu 3.000 Euro verkauft. Evergreen bezahlte den chinesischen Werkstätten lediglich 80 bis 86 Euro pro Stück. Die Gewinnspannen seien beträchtlich, so die Staatsanwaltschaft.

Loro Piana widersprach der Darstellung und erklärte, die genannten Produktionskosten seien nicht repräsentativ für den tatsächlichen Aufwand. Man habe keine Kenntnis von den Subunternehmern gehabt und die Zusammenarbeit mit Evergreen beendet, sobald die Vorwürfe bekannt wurden. Das Unternehmen betonte, jede Form illegaler Praxis entschieden abzulehnen. Man halte sich an höchste ethische und qualitative Standards und überprüfe derzeit alle Kontrollsysteme. Loro Piana kündigte an, mit den Behörden uneingeschränkt zu kooperieren und etwaige Ermittlungen zu unterstützen.

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