Konzernumbau trifft Stahlindustrie
Thyssenkrupp steht vor radikaler Zerschlagung

| Redaktion 
| 26.05.2025

Nach mehr als zwei Jahrhunderten steht der Traditionskonzern Thyssenkrupp vor einer historischen Wende: CEO Miguel Lopez plant eine weitreichende Umstrukturierung, bei der weite Teile des Industrie-Giganten verkauft oder ausgelagert werden sollen. Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, während der Vorstandschef seinen Vertrag verlängern will.

Thyssenkrupp, eine Ikone deutscher Industriegeschichte, soll nach Informationen aus Konzernkreisen radikal umgebaut werden. Vorstandschef Miguel Lopez plant, das Unternehmen in eine schlanke Holding zu transformieren und wesentliche Geschäftsbereiche zu verkaufen – darunter die Stahlsparte, der Marinebereich und der Stahlhandel. Damit steht nicht nur die Zukunft zehntausender Mitarbeitender auf dem Spiel, sondern auch das Erbe eines der bedeutendsten deutschen Industriekonzerne.

Holding statt Industriekoloss

Was einst mit Krupp (gegründet 1811) und Thyssen (1891) begann und 1999 zur Fusion von zwei industriellen Schwergewichten führte, steht nun vor dem Rückbau. Laut Bild will CEO Miguel Lopez die Essener Zentrale drastisch verkleinern – von 500 auf lediglich 100 Mitarbeitende. Weitere 1.000 Stellen in der Verwaltung sollen gestrichen werden.

Die verbliebene Holding soll künftig nur noch als Dachgesellschaft fungieren – "ohne Inhalt", wie ein Insider zitiert wird. Die traditionsreiche Stahlsparte soll an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský verkauft werden. Die Marinewerft TKMS bereitet sich unterdessen auf einen Börsengang vor.

Auch die Werft in Wismar, die zu TKMS gehört, soll laut den Konzernplänen aus dem Unternehmensverbund herausgelöst werden. Damit verliert das Unternehmen ein weiteres Standbein im sicherheitsrelevanten Bereich. Beobachter verweisen darauf, dass gerade die Marinewerft in Zeiten geopolitischer Spannungen eine zentrale Rolle bei der Aufrüstung der Bundeswehr spielt.

Wertverlust durch Zerlegung

Ein besonders kritischer Punkt: Der Stahlhandel, mit 16.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 12,1 Milliarden Euro, soll ebenfalls ausgegliedert und an die Börse gebracht werden. Doch laut internen Stimmen sei dieser Schritt "wirtschaftlich fragwürdig". Die Margen seien zu gering, das Investoreninteresse entsprechend verhalten.

Absehbare Folge: Der Umsatz des Konzerns könnte um bis zu 70 Prozent schrumpfen. Von ehemals 98.000 Angestellten blieben weniger als die Hälfte. Auch in der Autozuliefersparte wird bereits über Verkäufe und Werksschließungen nachgedacht. Laut einem Manager werde "nur ein Rumpf im besten Fall" erhalten bleiben. Von den ursprünglichen fünf Konzernsegmenten dürfte lediglich der Bereich für grüne Technologien übrig bleiben – ein Geschäftsfeld, das derzeit jedoch noch zu klein ist, um wirtschaftlich unabhängig zu bestehen.

Vor allem die gescheiterten Großinvestitionen in neue Stahlwerke in Brasilien und den USA gelten als mitverantwortlich für den schleichenden Niedergang. Diese Entscheidungen hatten in den 2000er-Jahren milliardenschwere Verluste zur Folge und brachten das Unternehmen in eine strukturelle Krise, von der es sich nie vollständig erholt hat.

Politik bleibt passiv – Lopez triumphiert

Während die industrielle Substanz des Ruhrgebiets schwindet, hält sich die Politik auffällig zurück. Weder aus dem Bundeskanzleramt noch vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) sind kritische Töne zu vernehmen. Dabei hätte das Kanzleramt bei der Marinewerft TKMS, einem sicherheitsrelevanten Unternehmen, durchaus Eingriffsmöglichkeiten.

Der Bund könnte über das Außenwirtschaftsgesetz ein Veto gegen den Verkauf von Schlüsseltechnologien einlegen – insbesondere wenn sicherheitspolitische Interessen berührt sind. Dennoch scheint das politische Interesse an einer Einflussnahme gering.

Besonders brisant: Während tausende Mitarbeitende um ihre Zukunft bangen, soll Miguel Lopez nach der Hauptversammlung am 8. August mit einem neuen Vertrag ausgestattet werden. Wie aus dem Unternehmen zu hören ist, ist eine Entscheidung für den 16. September vorgesehen – kurz nach dem geplanten Börsengang der Marinetochter TKMS.

Die IG Metall stellt sich im Aufsichtsrat gegen diese Pläne, wirkt jedoch bislang zu schwach, um den Umbau zu verhindern. Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm hingegen gilt als treibende Kraft hinter der Vertragsverlängerung und wird intern zitiert mit der Absicht, "den Kurs stabil fortzuführen".

Lopez plant laut interner Kreise bereits die Zeit danach: Für den Tag nach der entscheidenden Sitzung hat er rund 450 Top-Manager nach Madrid eingeladen, um dort über die Zukunft des Konzerns zu sprechen – und diese offenbar auch zu feiern.

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