LEADERSNET: Frau Koch, Ihre Karriere begann vor über 14 Jahren. Sie sind mit einem Praktikum in der Senderfamilie gestartet und sind heute Senderchefin von SIXX. Eine Karriere aus dem Bilderbuch?
Ellen Koch: Das ist richtig, meine Karriere war sehr linear. Ich habe als Praktikantin angefangen und dann über ein Trainee-Programm viele unterschiedliche Abteilungen durchlaufen, u.a. Sales und PR. Danach war ich lange im Marketing. Das hat mir einen breiten Erfahrungshorizont verschafft. Es ist genau dieses übergreifende Know-how, das heute enorm wichtig ist, um die Senderführung ganzheitlich und erfolgreich zu gestalten.
LEADERSNET: Warum braucht es einen Frauensender wie SIXX?
Ellen Koch: Weil es im Fernsehen immer noch ein vielfältigeres und realistischeres Frauenbild braucht. Mit "vielfältig" meine ich: Frauen sollen sich in verschiedenen Lebensrealitäten und Rollen wiederfinden können – jenseits von Klischees. Bei SIXX haben wir uns deshalb das Ziel gesetzt, mindestens 80 Prozent der Hauptrollen in unseren Formaten mit Frauen zu besetzen. Das ist in der Medienbranche alles andere als selbstverständlich – oft übernehmen Männer die führenden Rollen, während Frauen in Nebenrollen oder als stereotype Figuren auftauchen.
LEADERSNET: Können Sie solche Serien nennen?
Ellen Koch: Wir unterstützen gezielt Programme, die starke, differenzierte Frauenbilder zeigen – wie Grey’s Anatomy, wo Frauen nicht nur als Krankenschwestern, sondern auch als Oberärztinnen auftreten. Auch ältere Formate wie Charmed zeigen, dass Female Empowerment kein Trend ist, sondern eine Haltung: Drei Schwestern, die gemeinsam stark sind und gegen das Böse kämpfen – das ist ein Narrativ, das wir gerne mittragen. Andere Formate wie "Fixer Upper", das auf SIXX in deutscher Erstausstrahlung lief, haben ein Couple auf Augenhöhe, was ebenfalls ein wichtiges Rolemodel ist. Bei unserer Programmauswahl achten wir sehr genau darauf, welches Frauenbild transportiert wird. Und wir lehnen auch Formate ab, wenn sie nicht zu unseren Werten passen.
LEADERSNET: Nun ist eine Kooperation mit Miss Germany geplant. Inwiefern passt das Konzept zu Ihrem Sender?
Ellen Koch: Das neue Konzept von Miss Germany passt heute hervorragend zu uns – weil es genau das tut, wofür SIXX steht: Female Empowerment stärken und Frauen in ihrer Vielfalt sichtbar machen. Mein erstes Gespräch mit Max Klemmer hatte ich bereits 2019, damals war das Format aber noch stark im klassischen "Beauty Contest"-Denken verankert. Damals habe ich abgesagt. Vorletztes Jahr meldete er sich wieder – mit einem komplett neuen Konzept: Kein Fokus mehr auf äußere Schönheit, sondern auf Vision, Haltung und unternehmerisches Denken. Ich war sofort begeistert. Jetzt begleiten wir die Finalistinnen in einer Doku-Soap auf ihrem Weg zum Finale. Dabei geht es nicht nur um Challenges und Masterclasses, sondern vor allem darum, wie sie ihren eigenen Pitch, ihre Vision und ihre Business-Idee weiterentwickeln. Am Ende steht nicht die "Schönste", sondern die stärkste Idee im Mittelpunkt – und das wird durch einen Titel wie Miss Germany ins Rampenlicht gerückt.
LEADERSNET: Warum wird das Finale nicht mehr im Europa-Park Rust stattfinden?
Ellen Koch: Wir prüfen aktuell, welche Location am besten für das Event geeignet ist, um sowohl das Konzept optimal umzusetzen als auch die Anforderungen an eine moderne und nachhaltige Produktion zu erfüllen.
LEADERSNET: Steht die Kooperation mit Miss Germany nicht in Konkurrenz zu Germany’s Next Topmodel innerhalb der Senderfamilie?
Ellen Koch: Nein, überhaupt nicht. Bei Germany’s Next Topmodel werden Models gesucht. Bei Miss Germany geht es um Business-Ideen und Business-Frauen. Außerdem ist Germany’s Next Topmodel für mich eines der besten TV-Formate der letzten 25 Jahre. Es ist absolut einzigartig – und genau deshalb sollte man es auch nicht kopieren. Jede Sendung hat ihre eigene Daseinsberechtigung, solange sie klar in Haltung und Zielsetzung ist.
LEADERSNET: Wie schärften Sie die Marke SIXX?
Ellen Koch: Wir haben eine klare DNA – wir sind für Frauen. Und alles darüber hinaus bleibt im Fluss. Aber dieser Kern, dass wir ein Sender für Frauen sind, den werde ich niemals aufgeben, solange ich für diese Marke verantwortlich bin. Was mir dabei aber besonders wichtig ist: Nur weil wir für Frauen sind, heißt das nicht, dass wir gegen Männer sind.
LEADERSNET: Wie leben Sie persönlich Female Empowerment?
Ellen Koch: Wo fange ich da an? Wie bereits erwähnt, haben wir ein Mindestmaß an Leading Female Roles festgelegt – 80 Prozent, das ist unsere Benchmark, die wir nicht unterschreiten. Ein weiterer Punkt ist, dass wir viele Programme sichten und beurteilen, ob sie zu uns passen. Wenn wir Programme oder Casts sichten, gibt es bei SIXX ein Grundsatz, an dem wir uns messen: "No Body Shaming Under My Watch". Heißt konkret: Obwohl wir ein visuelles Medium sind, in dem meistens attraktive und interessante Protagonisten on screen sind, dürfen wir unseren eigenen Bias überwinden und immer den Inhalt first sehen, nicht den optischen Layer. Wichtig war das vor allem bei Formaten wie "Paula kommt". Im Laufe der Zeit habe ich auch einige Mentees begleitet. Wenn ich sehe, dass jemand struggelt, und weiß, dass ich in dem speziellen Fall supporten kann, biete ich das proaktiv an.
LEADERSNET: Hatten Sie selbst Mentorinnen?
Ellen Koch: Ich hatte viele starke Chefinnen, von denen ich viel gelernt habe. Sie haben mich stets unterstützt und mir Freiraum zum Lernen gegeben. Das versuche ich weiterzugeben: Ich glaube daran, einer Person – egal, ob Frau oder Mann – ein Projekt zu übertragen, bei dem sie in einem risikoarmen Rahmen lernen kann. Man gibt ihr die Verantwortung, lässt sie selbst entscheiden, wie sie vorgeht, und steht bei Fragen unterstützend zur Seite. Wenn es schiefgeht, ist es meine Verantwortung. Dieser Freiraum hat mir geholfen, zu wachsen, und genau das möchte ich auch anderen ermöglichen.
LEADERSNET: Wie setzen Sie sich für Gender-Pay-Gerechtigkeit ein?
Ellen Koch: Bei der Formatauswahl und Lizenzvergaben kann man natürlich nichts direkt beeinflussen, aber bei unseren lokalen Produktionen haben wir ein einheitliches Gehaltsband, das sich nach der Aufgabe orientiert. Dabei achten wir darauf, ob jemand hauptsächlich vom Teleprompter abliest oder viel Eigenleistung erbringt – wie zum Beispiel unser Welpentrainer André Vogt oder unsere Organizing Queen Isabella Franke, die ihre Expertise mit einbringen. Fairness ist uns sehr wichtig, und Fairness bedeutet auch gefühlte Fairness. Es muss Transparenz herrschen, denn Transparenz führt zu Fairness. Ich begrüße den Moment, an dem das Equal-Pay-Gesetz wirklich greift und europäische Regelungen auch im deutschen Recht umgesetzt werden, sodass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gewährleistet ist. Ich persönlich bin Fan von offenen Gehaltsbändern. Nur so kann echte Fairness hergestellt werden. Darüber hinaus befürworte ich ein Bonussystem für Leistungsträger. Ein festes transparentes Grundgehalt, plus Bonus für herausragende Leistungen, insbesondere im Managementbereich, finde ich persönlich optimal.
LEADERSNET: Frauen in Führung ist immer noch ein großes Thema und keine Selbstverständlichkeit. Auch Sie waren recht jung, als Sie in Ihre Rolle gewachsen sind. Wie erging es Ihnen damit?
Ellen Koch: Ich war 34, und ich finde das nicht so jung. Es gibt viele Geschäftsführer und Führungskräfte, auch in unserem Konzern, die unter 35 Jahren eine Management-Position innehatten. In unserem Konzern bin ich aktuell die Einzige, aber vor mir gab es bereits drei andere SIXX-Sender-Chefinnen, die zu einem ähnlichen Zeitpunkt in diese Position kamen. Daher empfinde ich mich nicht als Ausnahme. Gleichzeitig spüre ich natürlich oft, dass ich eine der wenigen Frauen im Boardroom bin. Das betone ich auch regelmäßig, denn Studien zeigen, dass bessere Entscheidungen getroffen werden, wenn ein Boardroom paritätisch besetzt ist. Ich hatte kürzlich auch eine Diskussion mit einer Kollegin aus dem europäischen Umfeld. Es ist auffällig, dass Senderchefs für Frauensender oder Sender mit einem großen weiblichen Publikum nie infrage gestellt werden. Aber Frauen, die Männersender leiten, haben es da etwas schwerer… Verstehen Sie das? Man muss sich des eigenen Bias bewusst sein und diesem entgegenwirken.
LEADERSNET: Wie gehen Sie gegen die Konkurrenz der Streaming-Dienste vor?
Ellen Koch: Unsere Antwort darauf ist ganz einfach – mit unserem eigenen Streaming-Dienst Joyn. Der USP von Joyn liegt darin, dass wir kostenlos sind und die größte Content-Auswahl vor der Paywall bieten. Das kostenlose Angebot von Joyn ist deutlich größer als bei anderen TV-Sendern, und wir sind der einzige Aggregator, der wirklich alle großen Sender zusammenführt. Du kannst beispielsweise ARD, ZDF, Eurosport, WELT, DMAX und natürlich auch unsere eigenen Sender auf Joyn schauen – insgesamt über 70 Live-Sender. Dazu kommt eine riesige Mediathek und On-Demand-Channels, die nicht nur ProSiebenSat.1-Content, sondern auch Inhalte von anderen Anbietern beinhalten. Wir bieten kuratierte Fast-Channels, wie zum Beispiel einen Fishing-Channel – etwas, das es so im TV nicht gibt, aber auf Joyn schon. Das ist unsere Antwort auf Netflix, Disney+, Amazon und RTL+. Aber die wahre Konkurrenz sehe ich nicht unbedingt in anderen Streaming-Diensten, da unser Angebot kostenlos ist. Die eigentliche Konkurrenz liegt in der Aufmerksamkeit der Zuschauer. Menschen haben nur eine begrenzte Zeit für Unterhaltung, und auch wenn die Screen-Time wächst, müssen die Zuschauer letztlich entscheiden, wie viel davon sie für Entertainment ausgeben möchten. Die Herausforderung besteht also darin, in diesem begrenzten Zeitkontingent hervorzustechen. Im Schnitt schauen die Deutschen (Zielgruppe 14-64) über 4,5 Stunden täglich Videoinhalte. Davon fast 3 Stunden, genau 177 Minuten TV. Unser Ziel ist es, ein so wertvolles Angebot zu schaffen, dass die Zuschauer ihre Zeit gerne auf Joyn verbringen.
LEADERSNET: Wenn Sie in eine Glaskugel schauen könnten – wo steht das Thema TV-Streaming in 5 bis 10 Jahren?
Ellen Koch: Es wird sowohl TV als auch Streaming weiterhin geben, jedoch wird sich der Anteil der Werbegelder zunehmend in Richtung Streaming verschieben – ebenso wie die Watchtime. Diese Entwicklung wird jedoch nicht sofort eintreten, sondern eine leicht verzögerte Parallelität aufweisen. Zudem werden wir im Markt vermehrt Konsolidierungen erleben. In den kommenden Jahren werden größere Medienpartnerschaften und Kooperationen immer häufiger zu beobachten sein, da es für kleinere Akteure zunehmend schwieriger wird, sich in diesem wettbewerbsintensiven Markt zu behaupten.
LEADERSNET: Welche Visionen haben Sie für den Sender?
Ellen Koch: In Zukunft werden wir verstärkt auf Kooperationen setzen. Wie zum Beispiel mit NBCU, A&E oder Warner, bei denen wir Content erwerben, teilweise exklusiv, oft aber non-exklusiv beziehungsweise in intensiver Kooperation. In einer Streaming-Welt wandelt sich gerade das Verständnis, wo Exklusivität notwendig ist und wo Co-Exklusivität gut funktioniert. Wichtig ist die Kuration. Lokaler Content von SIXX wird sich in Richtung Branded-Entertainment und Content Collabs wie Miss Germany entwickeln, bei denen wir eng mit B2B-Partnern wie der Publicis Gruppe und Miss Germany Studios GmbH zusammenarbeiten. Ich finde es spannend, wie diese Entwicklung neue Möglichkeiten schafft und wie dieses Spielfeld weiterwachsen wird.
LEADERSNET: Wie werden Sie auf Trends aufmerksam?
Ellen Koch: Bei Content-Trends ist es besonders wichtig, den internationalen Markt im Blick zu behalten und zu beobachten, was dort passiert. Zusätzlich achte ich darauf, was gerade in meiner Peergroup und Zielgruppe relevant ist. Es geht darum, zu erkennen, wo im Markt steigende Marktanteile, mehr Einschaltimpulse oder höhere Videoviews verzeichnet werden. Diese Trends bieten wertvolle Einblicke in die Richtung, in die sich der Markt entwickelt. Darüber hinaus macht z.B. Pinterest einen großartigen Job mit seinen Trend-Prognosen zu Style & Lifestyle Trends.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt KI?
Ellen Koch: KI spielt in unserer Branche eine zunehmend wichtige Rolle – besonders im Bereich Werbung und Marketing, wo KI schon längst angekommen ist. Während wir noch etwas Zeit benötigen, um Longform-Bewegtbild mit KI zu generieren, kann KI uns in der Gestaltung helfen Produktionskosten zu sparen. Ein gutes Beispiel ist die Reduzierung von Ausgaben für Print-Gestaltung, wo viel durch KI generiert wird. Dadurch bleibt mehr Budget für Content, was entscheidend für unseren Erfolg ist. KI kann ein echter Innovationstreiber sein, ohne Jobs zu gefährden. KI entwickelt sich rasant weiter – sie braucht gutes Prompting und Training. Die KI erstellt kein Bild einfach aus dem Nichts – du bist ihr kreativer Kopf, der sie steuert. Das ist ein völlig neues Skillset, das wir auch hier im Konzern gerade intensiv trainieren.
LEADERSNET: Wie definieren und leben Sie Personal Branding für sich?
Ellen Koch: Ich setze vor allem auf LinkedIn und versuche dort, regelmäßig aktiv zu sein – das ist für mich der wichtigste Kanal für mein Personal Branding. Auch Instagram nutze ich, aber eher in Stories als Reels oder klassische Beiträge. Ich pflege lieber eine kleinere, echte Community, als mich dem Algorithmus-Druck zu beugen. Klar, regelmäßiges Posten gehört eigentlich zum Personal Branding dazu – aber ich finde, es sollte immer zur eigenen Persönlichkeit passen. Und bei mir heißt das: Qualität statt Quantität.
LEADERSNET: Wie finden Sie persönlich Ruhe?
Ellen Koch: Ich habe für mich eine ganz natürliche Balance gefunden – zwischen sehr effizientem Arbeiten und ruhigen Momenten ganz für mich allein. Ich mache zum Beispiel keine Termine vor 10 Uhr – es sei denn, es lässt sich wirklich nicht vermeiden. Das ist meine Zeit, um strukturiert und in Ruhe in den Tag zu starten: Kaffee trinken, YouTube schauen, Mails checken, Gedanken sortieren, einfach in meinem Tempo. Danach bin ich in Terminen und auf Events – zu 100 Prozent da – und nicht am Handy.
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