Karrieretipps vom Amazon-CEO
Andy Jassy: Führung braucht Tempo, Maß und eine große Portion Neugier

Als Andy Jassy vor vier Jahren Jeff Bezos an der Spitze von Amazon ablöste, stand eine Frage im Raum: Kann er die Erfolgsstory fortschreiben – und den Konzern zugleich verschlanken? Fünf Jahre später steht ein gemischtes, aber klares Bild: Amazon Web Services (AWS) trägt und die Kosten- und Prozessdisziplin bleibt strikt. Was Jassy daraus für Führung und Karriere ableitet, ist pragmatisch – und überraschend persönlich.

Jassy hat Amazons Kurs sichtbar nachgeschärft: Wachstum ja, aber mit klaren Prioritäten, striktem Prozess- und Kostenmanagement und – wo nötig – Abbauprogrammen. Gleichzeitig hält er am Markenkern fest: absolute Kundennähe, hohe Geschwindigkeit, Pioniergeist. "Bei allem, was wir entwickeln, überall, wo wir Ressourcen einsetzen, stellen wir sicher, dass wir damit Probleme unserer Kundinnen und Kunden lösen", sagt er im Interview mit dem Harvard Business Manager. Jassy warnt davor, Technologie nur aus eigener Begeisterung heraus zu bauen – ohne erkennbaren Kundennutzen.

Schneller werden – ohne in Hektik zu verfallen – das ist für Jassy ein Führungsprinzip und kein Modetrend. "Schnelligkeit ist in jedem Unternehmen und zu jeder Zeit entscheidend", betont er – unabhängig von Größe und Compliance-Anforderungen. Geschwindigkeit sei eine Organisationsaufgabe: Hindernisse konsequent entfernen, Entscheidungswege verkürzen, Verantwortlichkeiten klären. Und er setzt einen Punkt darunter, der für große Häuser ungemütlich klingt: "Sie müssen wirklich das gesamte Unternehmen auf schnelles Handeln ausrichten, selbst wenn Sie dabei vielleicht Fehler machen."

Blick nach vorn, nicht auf die Konkurrenz

Den Blick nach vorn hält Jassy für wichtiger als das Starren auf Wettbewerber. "Wir entwickeln gern Neues. Bei vielen Unternehmen liegt der Fokus eher auf den Wettbewerbern oder Produkten. Auch das können erfolgreiche Strategien sein, aber uns entsprechen sie nicht. Wir sind Erfinderinnen und Pioniere. Wir gehen Risiken ein", sagt er. Bei allem Vorwärtsdrang bleibt die Langfristperspektive verbindlich: "Wir sind langfristig orientiert. Insgesamt sind wir eher geduldig und akribisch, wenn es um neue Vorhaben oder die Verbesserung der Kundenerlebnisse geht, die wir für wirklich wichtig halten."

Was heißt das für Karrieren? Zunächst: Leidenschaft schlägt Lebenslauf-Perfektion. "Zunächst einmal sollten Sie einen Job wählen, für den Sie sich begeistern können, oder sich auf einem Feld engagieren, auf dem Sie gut sind", sagt Jassy. Früh festlegen müsse man sich nicht: "Bevor ich die Business School besucht habe, habe ich mich als Sportreporter und im Vertrieb versucht. Ich habe als Produktmanager bei einem Direktvermarkter gearbeitet. Ich war im stationären Einzelhandel und im Investmentbanking tätig, und ich habe zwei Unternehmen gegründet." Der rote Faden sei Neugier – und die Bereitschaft, aus Rückschlägen Kapital zu schlagen.

Misserfolge, die nach oben katapultieren

Denn Fehler gehören ins Programm. "Fast jede wichtige Lektion, die ich gelernt habe, entstand aus Fehlern, aus Dingen, die nicht gut gelaufen sind. Wenn Sie selbstreflektiert sind und daraus lernen, kann ein Misserfolg Sie regelrecht nach oben katapultieren." Wer daran wachse, beschleunige seine Entwicklung – fachlich und als Führungskraft.

Zweiter Karriereanker ist Lernbereitschaft – besonders nach dem Aufstieg. "Viele Menschen fürchten sich davor, Neues zu lernen, wenn sie einen bestimmten Punkt ihrer Karriere erreicht haben. Sie sehen es als Zeichen von Schwäche, nicht alles zu wissen. Doch wenn Sie in einem dynamischen Umfeld arbeiten, ist der Moment, in dem Sie aufhören zu lernen, auch der Moment, in dem Sie anfangen nachzulassen", so Jassy. Übersetzt in den Alltag heißt das: bewusst neue Themen suchen, Wissenslücken benennen, die schnellsten Lernpfade systematisch nutzen.

Unterm Strich steht eine Führungsgleichung, die zu Amazons aktueller Phase passt: Kundenproblem vor Technologieego, Tempo vor Perfektion, Pioniergeist mit Langfristdisziplin – und eine Karrierehaltung, die Neugier, Fehlertoleranz und Fokus vereint. So hält Jassy den Konzern auf Kurs – und formuliert Leitplanken, die über Amazon hinaus funktionieren.

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