Patricia Schlesinger räumt ARD-Chefsessel

| Alexander Schöpf 
| 04.08.2022

Der rbb-Intendantin stand zuletzt wegen möglicher Unregelmäßigkeiten und Interessenskonflikte stark in der Kritik. WDR-Intendant Tom Buhrow übernimmt bis zum Jahreswechsel.

Der Druck der vergangenen Wochen scheint jetzt wohl zu groß geworden zu sein: Nach Vorwürfen über mögliche Unregelmäßigkeiten und Interessenskonflikte von Intendantin Patricia Schlesinger gibt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) seine Aufgaben als geschäftsführende Anstalt innerhalb der ARD ab sofort ab. Damit muss auch Schlesinger ihren Sessel als ARD-Vorsitzende räumen.

Aufklärung der Vorwürfe im Fokus

Die Intendant:innen der anderen Landesrunfunkanstalten der ARD begrüßen laut einer entsprechenden Aussendung die Entscheidung des rbb. Interimistisch wird der Westdeutsche Rundfunk (WDR) mit Intendant Tom Buhrow bis Jahresende den ARD-Vorsitz übernehmen. Bei der kommenden ARD-Hauptversammlung in Bremen im September wird dann ein neuer Vorsitz bestimmt, der ab 1. Januar 2023 im Amt wäre. Der Südwestrundfunk (SWR) habe seine Bereitschaft erklärt, diese Aufgabe dann zu übernehmen. Die ARD-Hauptversammlung wählt den Vorsitz für jeweils ein Jahr, er führt die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland und zeichnet in dieser Zeit rechtsverbindlich für sie.

"Wir werden mit allen beteiligten Stellen in der ARD für einen reibungslosen Wechsel Sorge tragen. Die öffentliche Diskussion um in meinen Verantwortungsbereich fallende Entscheidungen und Abläufe im rbb berührt inzwischen auch die Belange der ARD. Die Geschäftsleitung des rbb und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen und unser Hauptaugenmerk auf den rbb zu richten. Deshalb geben wir den Vorsitz innerhalb der ARD jetzt ab und danken den anderen Sendern für ihre Bereitschaft, uns diesen Schritt zu ermöglichen", kommentiert die 61-Jährige die Entscheidung.

Fehlerhafte Abrechnungen und Vetternwirtschaft

Die Vorwürfe gegen den rbb und Schlesinger beziehen sich unter anderem auf eine angeblich fehlerhafte Abrechnung von dienstlichen Abendessen bei der Intendantin und der Beschäftigung von Beratern für ein Immobilienprojekt, die aus dem Umfeld des Vorsitzenden des rbb-Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf, stammen sollen. Der rbb und Wolf-Dieter Wolf haben die gegen sie erhobenen Vorwürfe kürzlich zurückgewiesen. Wolf hat sein Amt als Vorsitzender im Kontrollgremium des Senders bis zum Abschluss der Aufklärung der Vorwürfe ruhend gestellt.

Der rbb hat im Juli die Compliance-Beauftragte und die Revision des Senders eingeschaltet. Beide haben für eine unabhängige und allumfassende Klärung der offenen Fragen die Hamburger Kanzlei Lutz Abel mandatiert, zu deren Fachgebieten unter anderem die Untersuchung von Compliance-Fragen gehört. Ins Rollen gebracht wurde der Fall von Business Insider, die Ende Juni erstmals über mögliche Verfehlungen berichteten.

UPDATE 7.08.2022Schlesinger ist als RBB-Intendantin zurückgetreten. Sie lege ihr Amt als Intendantin mit sofortiger Wirkung nieder und trete als Chefin des Senders zurück, heißt es in einer Pressemitteilung des RBB. Dieser Schritt sei die "logische Konsequenz" aus ihrem Versprechen, sich immer für die Belange des Senders einsetzen zu wollen, teilte sie mit.

www.ard.de

www.rbb-online.de

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