Mit dem Aufkommen hybrider Arbeitsmodelle und der Ausweitung mobiler Tätigkeiten rückt das Thema Arbeitszeitbetrug stärker in den Fokus von Unternehmen, HR-Abteilungen und Führungskräften. Die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle wird zunehmend zur Herausforderung – rechtlich, wirtschaftlich und kulturell. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach klaren Richtlinien, präziser Kommunikation und rechtlicher Absicherung in der täglichen Praxis. Unternehmen, die auf moderne Arbeitszeitmodelle setzen, müssen die rechtlichen Risiken im Blick behalten, ohne die Mitarbeitenden unter Generalverdacht zu stellen.
Wann beginnt Arbeitszeitbetrug wirklich?
Der Begriff ist juristisch klar definiert: Arbeitszeitbetrug liegt vor, wenn Beschäftigte bewusst falsche Angaben zur geleisteten Arbeitszeit machen oder Arbeitszeit nur vortäuschen, so Arbeitsrechtsexperte Michael Fuhlrott. Klassische Beispiele:
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Ein- und Ausstempeln ohne tatsächliche Leistung
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Manipulation elektronischer Systeme
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Fremdstempeln durch Kolleg:innen
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Vorgetäuschte Termine oder Außendienste
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Private Tätigkeiten während der dokumentierten Arbeitszeit
Auch das Homeoffice bietet Raum für Täuschungen – besonders, wenn keine lückenlose Zeiterfassung erfolgt. In diesem Zusammenhang stehen viele Unternehmen vor dem Spagat zwischen Flexibilität und Kontrolle, der durch gesetzliche Anforderungen an die Vertrauensarbeitszeit zusätzlich verschärft wird. Wichtig ist dabei: Nicht jede Unterbrechung ist automatisch ein Betrugsversuch. Entscheidend ist, ob eine bewusste Täuschungsabsicht vorliegt. Spätestens bei systematischem Missbrauch ist eine klare Grenze überschritten.
Wie n-tv berichtet, nehmen deutsche Arbeitsgerichte solche Fälle zunehmend ernst und urteilen konsequent gegen Arbeitnehmer:innen, die Arbeitszeit vorsätzlich falsch dokumentieren.
Welche arbeitsrechtlichen Folgen drohen?
Die Konsequenzen reichen von der Abmahnung bis zur fristlosen Kündigung. In besonders schweren Fällen kann es sogar zu Schadenersatzforderungen oder strafrechtlichen Ermittlungen kommen. Neben arbeitsrechtlichen Sanktionen drohen auch imageschädigende Auswirkungen für das Unternehmen, wenn Arbeitszeitbetrug in größerem Umfang öffentlich wird.
Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. Februar 2025 (Az.: 7 Sa 635/23) verdeutlicht die Tragweite: Ein Fahrscheinprüfer wurde entlassen, weil er während der Arbeitszeit privaten Erledigungen nachging – zusätzlich musste er knapp 20.000 Euro Detektivkosten übernehmen. Solche Urteile setzen ein deutliches Signal für die gesamte Arbeitswelt.
Liste: 7 typische Formen von Arbeitszeitbetrug
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Früheres Einstempeln ohne Leistung
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Kolleg:innen stempeln ein oder aus
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Private Termine während der Arbeitszeit
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Verlängerte Pausen ohne Ausstempeln
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Homeoffice mit paralleler privater Nutzung (z. B. Online-Shopping)
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Falsche Angaben bei Vertrauensarbeitszeit
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Manipulation von Erfassungssoftware
Was gilt im Homeoffice oder bei Vertrauensarbeitszeit?
Laut Fuhlrott bestehen hier besonders viele Grauzonen. Unternehmen dulden häufig kurze private Tätigkeiten – doch je nach Häufigkeit kann das riskant sein. Auch 15 Minuten Plausch an der Kaffeemaschine, obwohl nicht als Pause eingetragen, können problematisch werden, wenn sie systematisch stattfinden.
Josephine Klose von der Arbeitnehmerkammer Bremen sagt: "Solche Gespräche sind in geringem Maß in den meisten Betrieben üblich und sozial erwünscht – aber kein Freibrief." Für Unternehmen empfiehlt es sich, den Umgang mit solchen Situationen klar zu regeln. Dabei kann eine Dienstvereinbarung helfen, die den Rahmen für soziale Interaktionen während der Arbeitszeit absteckt und für Transparenz sorgt.
Wie können Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug nachweisen?
Beweispflichtig ist immer der Arbeitgeber. Dabei kommen folgende Mittel infrage:
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Zeugenaussagen
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Protokolle digitaler Zeiterfassung
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Videoaufzeichnungen (bei berechtigtem Verdacht)
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Detektivberichte
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technische Tools wie Keylogger (nur bei schwerem Verdacht erlaubt)
Wichtig: Eine anlasslose Überwachung ist in Deutschland unzulässig – es braucht konkrete Hinweise auf Pflichtverletzungen. Datenschutzrechtliche Aspekte spielen eine zentrale Rolle: Unternehmen müssen bei jeder Maßnahme abwägen, ob sie verhältnismäßig ist und der Zweck die Mittel rechtfertigt. Transparenz und eine klare Kommunikation mit den Mitarbeitenden sind hier unverzichtbar.
Was passiert bei unbeabsichtigtem Fehlverhalten?
Wer aus Versehen eine Pause nicht einträgt, muss nicht sofort mit Sanktionen rechnen. Entscheidender Faktor ist, ob ein Vorsatz erkennbar war und wie der Mitarbeitende mit dem Fehler umgeht. Eine glaubwürdige Erklärung, offene Kommunikation und die zügige Korrektur der Zeiterfassung sind in der Praxis häufig ausreichend. Wer jedoch wiederholt mit "versehentlichen" Lücken auffällt, gerät schnell in Erklärungsnot – insbesondere dann, wenn die Abweichungen ein Muster erkennen lassen. Arbeitgeber sollten in solchen Fällen sensibel, aber konsequent reagieren.
So beugen Unternehmen und Führungskräfte vor
Um das Risiko zu minimieren, sollten Führungskräfte klare Richtlinien etablieren. Dazu zählen:
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Transparente Zeiterfassungsrichtlinien
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Schulungen zu Compliance im Homeoffice
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Dokumentierte Regelungen zu Pausen und Erreichbarkeit
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Regelmäßige Gespräche zur Arbeitsorganisation
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Einrichtung eines anonymen Hinweisgebersystems
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Festlegung interner Sanktionen für Pflichtverstöße
Auch der technische Rahmen ist entscheidend: Moderne Zeiterfassungssysteme, die nachvollziehbar und datenschutzkonform arbeiten, helfen beim Präventionsmanagement. Eine gute Balance aus Kontrolle und Vertrauen stärkt zudem die Unternehmenskultur. Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und ein Bewusstsein für Zeiterfassungs-Compliance schaffen – nicht durch Druck, sondern durch Vorbildwirkung und offene Kommunikation.
Fazit
Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt – auch nicht in kleinen Dosen. Führungskräfte sind gut beraten, klare Regeln zu schaffen und Vertrauen mit Verantwortung zu verbinden. Nur so lässt sich ein rechtssicherer, effizienter und transparenter Umgang mit der wertvollsten Ressource im Unternehmen sicherstellen: der Zeit. Unternehmen, die frühzeitig handeln, klare Prozesse definieren und ihre Mitarbeitenden aktiv einbinden, minimieren nicht nur das Risiko rechtlicher Konsequenzen – sie stärken auch nachhaltig das Vertrauen innerhalb der Organisation.
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