LEADERSNET: Herr Brockhaus, Sie sind in Plettenberg aufgewachsen. Wie hat das konservative, traditionelle Elternhaus Sie geprägt?
Caspar Brockhaus: Wie kommen Sie darauf, dass es konservativ und traditionell war?
LEADERSNET: Man sollte einen Menschen ja nicht nach der Optik bewerten, aber Stahlindustrie und Sakko mitsamt Einstecktuch wecken bei mir diese Assoziation.
Caspar Brockhaus: (lacht) Tatsächlich werden Ihre Vorurteile erfüllt. Ich warne aber davor, konservativ mit rückständig gleichzusetzen. Konservativ zu sein bedeutet, wertvolle Traditionen zu schätzen und diese als Basis für Fortschritt zu nutzen.
LEADERSNET: Von Plettenberg aus ging es in die große Welt: High School in Amerika, Internat Schloss Salem, Studium in Holland, Italien und Spanien. Gekrönt vom Abschluss in Harvard. Welche Ihrer Ausbildungsstationen war für Sie ein Game-Changer?
Caspar Brockhaus: Amerika gleich zwei Mal. Als Teenager verfiel ich einer weitverbreiteten Auffassung, dass es uncool sei, wenn man Streber ist. Ich war der Junge in der letzten Reihe, zwar sehr sportlich, aber schulisch nur besserer Durchschnitt. In Amerika lernte ich eine andere Geisteshaltung kennen, nämlich dass Leistung in allen Bereichen erstrebenswert ist. Und absolvierte zurück in Deutschland mein Abitur mit einem Einser-Schnitt. Zwanzig Jahre später gab mir Harvard den Anstoß für eine mutigere und progressivere Unternehmensführung, als sie im europäischen Mittelstand verbreitet ist.
LEADERSNET: Stichwort Unternehmensführung: Worauf achten Sie oder was ist Ihnen wichtig, wenn Sie Mitarbeiter einstellen?
Caspar Brockhaus: Dass Sie Lust auf Leistung haben, egal wo: In der Ausbildung, im Sport oder im beruflichen Werdegang. Je nachdem wo der- oder diejenige gerade in der Karriere steht.
LEADERSNET: In einem Interview erklärten Sie, dass Sie HR zur Chefsache gemacht haben. Was war Ihre wichtigste Personalentscheidung?
Caspar Brockhaus: Es heißt ja oft: Unternehmenskultur ist das Wichtigste. Im Studium hörte ich das wieder und wieder, mochte es aber noch nicht wirklich glauben. Heute kann ich aus Erfahrung sagen, dass diese Aussage einhundert Prozent wahr ist. Jeder im Team soll so motiviert sein, dass er oder sie etwas im Sinne des Unternehmens erschaffen will. Außerdem bin ich ein großer Freund von Bonussystemen auf wirklich allen Ebenen. In der mittelständischen Industrie ist das noch nicht sehr weit verbreitet, in unserem Unternehmen aber hat das einen riesigen Unterschied gemacht.
LEADERSNET: Sie haben junge Talente aus renommierten Unis überzeugt, ihre Karriere in Ihrem Unternehmen zu starten. Wie ist es Ihnen gelungen, dass High Potentials von der Universität St. Gallen lieber für Brockhaus nach Plettenberg ziehen, anstatt bei einer Investmentbank wie Goldman Sachs in London anzuheuern?
Caspar Brockhaus: Das erscheint überraschend, aber das liegt an vielen Vorurteilen. Die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten sind bei uns deutlich größer, die Vergütung mindestens genauso gut, die Lebenshaltungskosten deutlich niedriger als in London und die Arbeitszeiten, wenn auch lang, kürzer als bei Goldman.
LEADERSNET: Wie sind Sie selbst als Chef? Wie würden Ihre Mitarbeiter Sie beschreiben?
Caspar Brockhaus: Vermutlich zuerst als verantwortungsbewusst. Und ich hoffe auch als inspirierend, aber das müssen meine Mitarbeiter beantworten. Gemeinsamen Erfolg haben wir zumindest.
LEADERSNET: Sie haben die Brockhaus Unternehmensgruppe seit 2009 mit großem Erfolg neu ausgerichtet und über die Marke von 100 Millionen Euro Umsatz getragen. Eine beeindruckende Summe, die Sie mit nur 180 Mitarbeitern generieren. Sie sind 2009 während der Finanzkrise ins Familienunternehmen eingestiegen. Was hat Sie dazu bewogen, Ihre gerade beginnende Karriere bei Roland Berger aufzugeben?
Caspar Brockhaus: Von anderen Familienunternehmern hört man ja oft: Das Unternehmen saß stets mit am Tisch. Ich bin meinen Eltern hingegen dankbar, dass ich mich immer frei entfalten konnte. Tatsächlich hatte ich lange Zeit nicht vor, ins Familienunternehmen zu gehen und ich möchte diese Freiheit auch meinem Sohn mitgeben. Was mich dann doch dazu bewogen hat? Ein Gespräch mit meinem Vater in München mitten in der Finanzkrise, als er mir erzählte, dass er plant einen Fremdgeschäftsführer zu suchen. Da war für mich klar: Jetzt oder nie.
LEADERSNET: Haben Sie den Schritt je bereut?
Caspar Brockhaus: Keine Sekunde. Ich bin zutiefst dankbar dafür und es ist die erfüllendste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann. Und mich treibt täglich der Wille zum unternehmerischen Gestaltens an, ich möchte als Unternehmer einen Impact verursachen, für die Gesellschaft, für unsere Mitarbeiter, für meine Familie.
LEADERSNET: Empfinden Sie eine besondere Verantwortung Ihren Eltern gegenüber?
Caspar Brockhaus: Ja, natürlich. Ihnen habe ich sehr viel zu verdanken.
LEADERSNET: Wie balancieren Sie diese mit Ihrer unternehmerischen Verantwortung?
Caspar Brockhaus: Das ist für mich eins. Wir alle leben vom Unternehmen und mit dem Unternehmen.
LEADERSNET: Ihr Unternehmen ist stark diversifiziert: Messtechnik, Stahl, Umweltdienstleistungen, Recycling und nun auch Wasserstoff. Wie ist es dazu gekommen?
Caspar Brockhaus: Diese Diversifikation ist eine der großen Stärken unseres Unternehmens. Die Bereiche sind größtenteils unabhängig voneinander und damit sind wir weniger krisenanfällig. Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist das sehr hilfreich. Teil dieser Diversifizierung ist auch unser Standort in Polen. Wenn man sich die einzelnen Unternehmenszweige anschaut, bieten sie unterschiedliche Stärken und Chancen. Stahl als Werkstoff ist unsere DNA. Es ist unser historischer Ursprung. Daraus entwickelte sich unsere Messtechnik, mit der wir in einer Nische heute Weltmarktführer sind. Ebenso ergab sich unser Recycling, sprich der Schrotthandel, aus dem Stahlgeschäft. Unsere Umwelttechnik reinigt Abgase und Abwasser in der Petrochemie und dient nun als Basis für unser Wasserstoffgeschäft. Bei allen Vorteilen unserer Diversifikation, muss man aber auch die sehr hohe Komplexität einer solchen Struktur beherrschen.
LEADERSNET: 2009 kannten über 93 Prozent der Deutschen den Namen "Brockhaus". Damit war der Bekanntheitsgrad der Marke Brockhaus tatsächlich sogar noch höher als der von Franz Beckenbauer, der als einer der bekanntesten deutschen Fußballer und Persönlichkeiten galt. Wie lebt es sich mit dem Namen?
Caspar Brockhaus: Glücklicherweise ist der Name sehr positiv mit Wissen assoziiert. Daher war ich immer stolz auf den Namen. Leider hat es die Enzyklopädie nicht in das digitale Zeitalter geschafft. Jetzt liegt es an uns dafür zu sorgen, dass der Name auch in zwanzig Jahren noch eine gewisse Bekanntheit besitzt.
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