Die deutsche Internetwirtschaft steht vor einem gewaltigen Aufschwung. Getrieben durch den Boom von Künstlicher Intelligenz und die fortschreitende Digitalisierung prognostizieren Expert:innen ein jährliches Wachstum von fast zehn Prozent. Doch es drohen Engpässe bei der Infrastruktur – insbesondere bei Rechenzentren. Der Verband eco warnt bereits vor Folgen für die digitale Souveränität Deutschlands.
Die Digitalisierung durchdringt zunehmend sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche. In Kombination mit dem rasant steigenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz entsteht ein enormer Bedarf an digitaler Infrastruktur. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little im Auftrag des Branchenverbandes eco zeigt: Die deutsche Internetwirtschaft wird zwischen 2025 und 2030 jährlich um durchschnittlich 9,7 Prozent wachsen. Doch das Wachstum ist bedroht – von strukturellen Defiziten, regulatorischen Hürden und strategischen Versäumnissen auf politischer Ebene.
Rechenzentrums-Kapazitäten als Flaschenhals
Der Studie zufolge wird der Umsatz der deutschen Internetwirtschaft von derzeit 245 Milliarden Euro auf 389 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen. Zwei Haupttreiber sind dabei identifiziert: die allgegenwärtige Digitalisierung sowie die zunehmende Verbreitung von KI-Anwendungen. Letztere schaffen nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern führen auch zu einer exponentiell steigenden Nachfrage nach Rechenleistung – sowohl in der Industrie als auch im öffentlichen Sektor.
Genau hier liegt laut Studie ein kritischer Engpass: Während die Anschlussleistung von Rechenzentren in Deutschland bis 2030 auf rund 3,7 Gigawatt steigen soll, prognostiziert die Studie einen tatsächlichen Bedarf von bis zu 12 Gigawatt – also drei- bis fünfmal so viel. Im internationalen Vergleich droht Deutschland damit weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Die USA verfügen bereits heute über das 20-fache an Kapazität. Länder wie Irland oder die Niederlande investieren gezielt in Hochleistungs-Rechenzentren, während Deutschland mit langwierigen Genehmigungsverfahren und Standortdiskussionen kämpft.
Auch die geografische Verteilung spielt eine Rolle: Der Großteil der bestehenden Rechenzentren befindet sich in urbanen Ballungsräumen wie Frankfurt am Main. Ländliche Regionen bleiben infrastrukturell oft unterversorgt, was das wirtschaftliche Potenzial vieler Bundesländer einschränkt. Ohne gezielte Fördermaßnahmen könnten ganze Regionen den Anschluss an die digitale Wertschöpfung verlieren.
Gefahr für die digitale Souveränität
Der eco-Verband warnt vor gravierenden Folgen. Ohne entschlossene Gegenmaßnahmen drohe eine Auslagerung von Rechenlasten ins Ausland – mit potenziell kritischen Auswirkungen auf Datenschutz, Wettbewerbsfähigkeit und digitale Souveränität. Besonders im Bereich sensibler Branchen wie Gesundheitswesen, Finanzwirtschaft oder Verwaltung könnten Kontrollverluste über Daten und Systeme entstehen.
"KI und Automatisierung lassen die Nachfrage nach Rechenleistung und schnellen Netzen explodieren. Die aktuellen Bedingungen am Standort Deutschland erlauben es uns aber gar nicht, die entsprechenden Kapazitäten zeitgerecht dem Markt zur Verfügung zu stellen", erklärt eco-Vorstandsvorsitzender Oliver Süme.
Hauptverantwortlich für die Infrastrukturlücke seien laut Verband der schleppende Glasfaserausbau, fehlende Plattformkompetenz sowie die zögerliche Digitalisierung des Mittelstands. Zudem seien hohe Energiepreise ein weiterer Belastungsfaktor: Mit rund 23 Cent pro Kilowattstunde liegen die Industriestrompreise in Deutschland etwa 25 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Hinzu kommen Bedenken bei der Netzstabilität sowie der unzureichenden Integration von Rechenzentren in die kommunale Raumplanung.
Ein weiteres Hindernis: Die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung. Während Mobilfunkmasten und Windkraftanlagen bereits häufiger auf Widerstand stoßen, droht ähnliches bei geplanten Rechenzentrumsstandorten. Eine offene Kommunikation über Nutzen und Notwendigkeit digitaler Infrastrukturen ist daher essenziell, um gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen.
Die Autoren der Studie und der Branchenverband fordern ein entschlosseneres politisches Handeln. Es gelte, nicht nur den Ausbau von Rechenzentren aktiv zu fördern, sondern auch den Zugang zu bezahlbarem, grundlastfähigem Strom sicherzustellen. Nur so könne verhindert werden, dass Deutschland langfristig zur reinen Konsumentennation digitaler Dienste degradiert wird.
"Deutschland riskiert, den technologischen Anschluss zu verlieren, wenn wir nicht endlich entschiedener handeln", so Süme weiter. Der Verband sieht Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht, geeignete Flächen für Rechenzentren auszuweisen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und energiepolitische Rahmenbedingungen international wettbewerbsfähig zu gestalten.
Darüber hinaus brauche es eine nationale Rechenzentrumsstrategie, die auch Fragen der Nachhaltigkeit adressiert: Wie können moderne Rechenzentren energieeffizient gebaut werden? Welche Rolle spielen Abwärmenutzung und grüne Energieversorgung? Und wie lassen sich regionale Wirtschaftskreisläufe durch digitale Infrastruktur stärken?
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