"Das Auto von morgen ist ein Computer auf Rädern"

| Alexander Schöpf 
| 21.07.2022

Die Ausgaben der Automobilindustrie für Software werden sich bis 2030 mehr als verdoppeln. Neue Fahrzeugkonzepte bieten aber Einsparpotential.

Im Zuge der zunehmenden Elektrifizierung und Vernetzung muss die Automobilindustrie immer stärker in Software investieren. Bis zum Jahr 2030 könnten die Ausgaben von 26 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 59 Milliarden ansteigen. Der Ausweg: Neue Designkonzepte, bei denen das Fahrzeug von Beginn an rund um eine Softwareplattform aufgebaut wird. Dadurch lassen sich ab 2030 jährlich fast 16 Milliarden US-Dollar einsparen. Das sind Kernergebnisse der jüngsten Veröffentlichung aus der Roland-Berger-Studienserie "Computer on Wheels (4): The future of the automotive software industry: Spend, trends and how to transform".

Abkehr vom bisherigen Designansatz

"Die Automobilindustrie kann sich die Software, die sie in Zukunft braucht, nur leisten, wenn sie ihre Kosten an anderer Stelle senkt", sagt Wolfgang Bernhart, Partner bei Roland Berger. "Die wichtigste Voraussetzung dafür ist die Abkehr vom bisherigen Designansatz, bei dem die Software und technische Funktionen in ein bestehendes Fahrzeugkonzept integriert werden, zugunsten eines neuen, Software-definierten Fahrzeugaufbaus. Das Auto von morgen ist ein Computer auf Rädern – dies muss sich bereits in den ersten Schritten der Fahrzeugkonzeption widerspiegeln."

Die Umstellung ist für die Branche von existenzieller Bedeutung. Die Autoren beziffern die jährliche Wachstumsrate der Softwarekosten auf sechs Prozent. Damit würden sich die heutigen Ausgaben bis zum Jahr 2030 auf 59 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Mit dem Konzept des Software-Defined Vehicle (SDV) steigen sie dagegen lediglich um 70 Prozent auf 43 Milliarden US-Dollar.

Betrachtet man die Kosten für jeden Schritt im Entwicklungszyklus, erfordert der SDV-Ansatz zunächst den Aufbau von komplexeren Software-Architekturen was zu höheren Entwicklungsausgaben von ca. sieben Milliarden US-Dollar führt. Dieser Anstieg wird jedoch mehr als ausgeglichen durch erhebliche Kostensenkungen bei der agileren Softwareproduktion: im Bereich Testing können elf Milliarden US-Dollar eingespart werden, bei der Integration acht Milliarden US-Dollar und Kosten für Software Maintenance bzw. Wartung sinken um drei Milliarden US-Dollar. Dies spielt auch Ressourcen für die Entwicklung von neuen Softwareinhalten frei.

Software-Patente werden zum Wettbewerbsfaktor

Der SDV-Ansatz bietet viele Vorteile; der Übergang zu diesem neuen Designkonzept erfordert jedoch idealerweise branchenweite Kooperation. OEMs und Zulieferer müssen ihre Software-Wertschöpfungskette und ihr Geschäftsmodell überdenken. Die Branche müsste sich zunächst auf gemeinsame Normen für Fahrzeugarchitekturen und die Nutzung von Open-Source-Software einigen. Indem die Unternehmen erprobte Softwareinhalte als Produkt anbieten, können sie Software wiederverwerten, Größenvorteile erzielen und Investitionen refinanzieren.

"Während die Wiedervermarktung von geistigem Eigentum für Zulieferer und spezialisierte Softwareanbieter bereits zum Kerngeschäft gehört, ist sie für Fahrzeughersteller noch weitestgehend Neuland", so Bernhart. "Um das kommerzielle Potenzial des Handels mit Intellectual Property auszuschöpfen, müssten die Automobilunternehmen unter anderem verstärkt auf Partnerschaften mit Zulieferern setzen und aufkommende Software-Marktplätze nutzen."

www.rolandberger.com

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