Italienisches Tennis-Ass
Der Sinner-Effekt

| Natalie Oberhollenzer 
| 14.04.2024

Aktuell belegt er den zweiten Platz der Weltrangliste, nachdem er im Januar als erster Italiener die Australian Open gewinnen konnte: Jannik Sinner ist der Tennis-Shootingstar der Stunde - und ganze Wirtschaftszweige profitieren vom Hype um den 22-jährigen.

Als sich abzeichnete, dass eine große Karriere im Profisport vor dem Südtiroler Burschen stand, verlegte dieser seinen Wohnsitz nach Monaco. Maßnahmen solcherart, vorgenommen allein aus steuerlichen Gründen, mögen die Italiener normalerweise gar nicht. Aber bei Jannik Sinner drücken sie sogar in diesem Belang ein Auge zu: Der Junge mit den roten Locken, aktuell Nummer zwei der Weltrangliste im Tennis, verzückt die ganze Nation. Manches artet bis zur hündischen Verehrung aus.

Die Menschen loben seine vorbildlichen Manieren; seine zurückhaltende, entspannte und bodenständige Art. Dass er 1A Italienisch spricht (unter Südtirolern längst keine Selbstverständlichkeit) und fließend Englisch noch dazu. Wenn er einem Zuschauer im Publikum Wasser reicht oder einem Ballmädchen einen Regenschirm hält, dann dreht die Fangemeinde auf Social Media durch. 

 
 
 
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Sinner macht Kalbsragout und Karotten zu Trends

So hat sich etwa herumgesprochen, dass sich der Sportler bei der Rückkehr nach den Turnieren gerne mit Fettuccine mit Kalbsragout belohnt. Der Hype um das Gericht ließ nicht lange auf sich warten. Sein Fanclub wiederum, The Carota Boys, steckt geschlossen in bizarren Karottenkostümen und reist ihm bis nach Australien und Miami hinterher.

Zu dem Namen inspiriert hätten sie nicht nur Sinners Haare, sondern weil er - man glaubt es kaum - im Jahr 2019 bei einem Turnier in Wien eine Karotte aß. Die Folge: In ganz Norditalien sind Gerichte mit dem Gemüse als Zutat gefragt. Bäckereien verkaufen plötzlich jede Menge Karottentorten und Karottenschnittchen. Karottensaft wird von Kindern und Jugendlichen neuerdings freiwillig getrunken; sogar der Karottensalat wird akzeptiert.

Wieder gefragt: Tennisplätze, Tennislehrer

Der ganzen Sportart wurde durch den Shootingstar ein enormer Schub verliehen. Noch vor wenigen Jahren wussten viele Südtiroler Hoteliers nicht genau, ob sie die Tennisplätze für ihre Gäste überhaupt noch brauchen oder nicht. Plötzlich will die Touristenmasse in der Alpenregion wieder fleißig Tennis spielen.

 
 
 
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Auch die Einheimischen scheinen ihre Leidenschaft für den Sport wiederentdeckt zu haben. Die Einschreibungen in Tennisclubs, -vereine und -kurse boomen. Die Gemeinden sinnieren über eine Revitalisierung der in die Jahre gekommenen Tennisplätze. Im Geburtsort von Sinner etwa, im schönen Sexten, stammt die Halle aus dem Jahr 1976. Die Zuständigen in der Gemeinde schmieden Pläne für ein hochmodernes Tenniszentrum. In anderen Orten der Region sind ähnliche Projekte geplant; nach Tennislehrern wird mitunter händeringend gesucht.

Noch mehr Touristen

Die Südtiroler lieben ihr neues Aushängeschild und hoffen, von seinem Ruhm zu profitieren. Die ganze Welt möge denken, dass alle Südtiroler so sympathisch seien wie dieser Junge, heißt es auf Social Media. Dadurch sollen noch mehr Gäste in die nördlichste Provinz Italiens zum Urlauben kommen. Von einem "gewaltigen Marktwert“ Sinners ist die Rede; von seinem Ruhm soll ein bisschen Glanz auf die Region abfallen.

Schon an Bord: Gucci, Rolex, Nike, Lavazza

Sinner selbst hat mit seinen 22 Jahren schon ein stattliches Vermögen angehäuft. Durch seine Turniersiege soll er bereits knapp 40 Millionen Euro gewonnen haben. Beobachter rechnen den Wert bei Sportlern in seiner Lage und mit seinen Perspektiven üblicherweise mal vier - und namhafte Marken wie Gucci, Rolex, Nike und Lavazza haben längst Sponsorenverträge mit ihm abgeschlossen. Technogym, Parmigiano Reggiano und Fastweb gehören ebenso zu seinen Werbepartnern.

Der Vertrag mit Nike soll über zehn Jahre laufen und 150 Millionen US-Dollar umfassen. Ein Coup der besonderen Art ist Gucci derweil gelungen: Das Label entwarf für das Tennis-Ass eine eigene Duffle Bag. Als er mit dieser auf den Centre Court in Wimbledon spazierte, stieg die Aufmerksamkeit für das Edellabel rasant an. Nach dem Sieg in Miami flohlockte selbst die amerikanische Vogue über „Stunning Sinner", der sich in feinstem Zwirn für eine Gucci-Kampagne ablichten ließ.

Sinner selbst versucht dem Hype um seine Person mit Gelassenheit entgegenzutreten. Er wolle, so verkündete er in italienischen Medien, ein möglichst normales Leben führen.

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