The Day Before: Debakel um Online-Shooter versenkt Entwicklerstudio Fntastic

Nach einer desaströsen Early-Access-Phase verschwindet „The Day Before" von Steam und zwingt das verantwortliche Entwicklerstudio zur Schließung. Der skandalumwitterte Online-Shooter wird voraussichtlich nur wenige Wochen alt – das bittere Ende einer kuriosen Achterbahnfahrt.


Eine grafisch beeindruckend inszenierte Großstadt nach einem verheerenden Krankheitsausbruch, in der Gamer aus der ganzen Welt mit- oder gegeneinander ums Überleben kämpfen und mittels realistischer Spielsysteme mitreißende Geschichten schreiben: Als „The Day Before" 2021 vorgestellt wurde, begeisterte es beachtliche Teile der Gemeinde und schwang sich schnell zum meistgewünschten Titel auf der PC-Plattform Steam auf.

Im Nachhinein weiß man, dass es sich dabei bereits um den größten Moment des Spiels handeln sollte, das vom in Singapur ansässigen Entwicklerstudio Fntastic als ambitionierter MMO-Shooter positioniert worden ist. Neben dem Umstand, dass Fntastic bis dato nicht ansatzweise durch Titel dieses Umfangs in Erscheinung getreten war, sorgten bald auch eine einsetzende Funkstille, die Verschiebung des ursprünglich für den Sommer 2022 angedachten Release-Termins oder Berichte über einen Wechsel von Unreal Engine 4 auf 5 zunehmend für Stirnrunzeln.

Rückblick: Aus Hype wird Skepsis

Als neues Release-Date wurde der 01. März 2023 angekündigt. Bei einer Veröffentlichung dieser (in Aussicht gestellten) Größenordnung sollte man in den Monaten vorher eigentlich einen Marketingpush erwarten dürfen – stattdessen wurde im Januar jedoch bekannt, dass Fntastic „The Day Before" aufgrund eines Markenrechtsstreits rund um den Namen des Spiels verschieben muss. Später gaben Offizielle zu, schon vorher von einer weiteren Verspätung ihres Titels gewusst zu haben, weshalb der Disput mit einer Kalender-App bestenfalls unprofessionell und schlimmstenfalls verlogen wirkte.

Neue Szenen aus „The Day Before" sollten ungeduldige Gamer milde stimmen, wurden aber von schmerzhaft offensichtlich abgekupferten Elementen anderer Blockbuster und Meldungen um die eigentlichen Entwickler überschattet: Fntastic griff offenbar auf freiwillige Helfer zurück, die teils zu ausbeuterischen Bedingungen an der Fertigstellung des kriselnden Online-Shooters gearbeitet haben sollen. Selbst beinharten Optimisten schwante zu diesem Zeitpunkt, dass „The Day Before" dem ersten Eindruck wahrscheinlich kaum gerecht werden würde – sofern es denn überhaupt erscheint.

Screenshot aus "The Day Before" (Bildquelle: Fntastic)

Nüchterne Beobachter sprachen schon weitaus früher von einem mutmaßlichen „Scam", also einem mutwilligen Betrug rund um ein Spiel, das es in der ursprünglich präsentierten Form ohnehin niemals gab. Diesen Vorwurf entkräftete Fntastic unter anderem mit dem Verweis darauf, im Vorfeld niemals Geld von künftigen Spielern (etwa durch Vorbestellungen oder Crowdfunding) verlangt zu haben. Kurz vor dem letztlich wirklich erfolgten Early-Access-Release baten Fntastic öffentlich darum, ihr in fünf Jahren schwerer Arbeit entstandenes Spiel nicht als „Scam" zu bezeichnen und sorgten damit für eine unangenehme Mischung aus Mitgefühl und Belustigung.

Das beispiellose Early-Access-Desaster

Am 07. Dezember durften Spieler auf der ganzen Welt endlich selbst ergründen, was sich hinter dem sagenumwobenen „The Day Before" verbirgt. Zumindest theoretisch: Zahlreiche Streamer und Steam-Rezensenten berichteten von massiven Problemen, überhaupt eine funktionierende Verbindung zu einem der Spielserver herzustellen.

Wer es endlich nach New Fortune City geschafft hatte, sollte dort allerdings kaum sein Glück finden – und ganz generell nicht allzu viel. Altbackene und teils schlichtweg fehlende Animationen oder regelrecht beunruhigende Bugs führten die technische Leidensstrecke fort, während völlig leergefegte Straßen und spielerisch absolut zahnlose Zombie-Gegner für rekordverdächtige Gameplay-Langeweile sorgten. Aus der ambitionierten MMO-Umgebung, in der Spielern ein digitales Paralleluniversum zur Verfügung stehen sollte, war ein eklatant unterdurchschnittlicher Extraction-Shooter geworden - für viele Gamer der Beweis, dass Fntastic seit langem False Advertising betrieben hat.

Screenshot aus "The Day Before" (Bildquelle: Fntastic)

Von den zum Launch über 38.000 gleichzeitigen Spielern blieben vier Tage später nur noch etwas über 4000 übrig, wie eine Seite zum Spieler-Tracking zeigt. Als dieser Artikel entsteht, tummeln sich noch 747 Personen in New Fortune City herum. Das Echo der User-Reviews auf Steam spricht eine ebenso deutliche Sprache: Von derzeit über 20.700 Bewertungen fallen lediglich 16 Prozent positiv aus, was im Umkehrschluss zu einem „äußerst negativen" Gesamteindruck führt. Derzeit gehört „The Day Before" zu den zehn am schlechtesten aufgenommenen Spielen auf Steam.

Reinfall mit Folgen: Fntastic ist am Ende

Der nächste Schritt kam angesichts dieser Umstände zwar nicht überraschend, aber durchaus noch schneller als erwartet: Am 11. Dezember verkündete Fntastic, dass es seine Pforten schließt und die weitere Arbeit an „The Day Before" mit sofortiger Wirkung beendet, da es ein finanzieller Fehlschlag sei.

Schon zur Fertigstellung von Patches fehle demnach das nötige Geld, das stattdessen vor allem zur Begleichung von Schulden und zum Auszahlen von Partnern genutzt werden solle. Die Server bleiben zwar zunächst online, doch inzwischen kann man den Titel bereits nicht mehr auf Steam kaufen. Wer innerhalb des historisch knappen Early-Access-Fensters nicht in „The Day Before" reingeschaut hat, wird es auf legalem Wege also wahrscheinlich nie wieder tun können.

Screenshot des Statements, in dem Fntastic die Schließung und das Ende von "The Day Before" bekanntgibt

„Wir entschuldigen uns, wenn wir Eure Erwartungen nicht erfüllt haben", heißt es in dem unter anderem auf dem X-Account des Entwicklers geteilten Statement. „Wir haben alles in unserer Macht stehende getan, aber unsere Fähigkeiten leider falsch eingeschätzt. Spiele zu erschaffen ist ein unglaublich herausforderndes Unterfangen."

Am 12. Dezember folgte eine weitere knappe Mitteilung auf der Steam-Seite des Spiels, wo sich Fntastic erneut für nicht erfüllte Erwartungen „bei einem Großteil der Spieler" entschuldigt und eine Zusammenarbeit mit Steam verspricht, damit Spieler eine Rückerstattung ihres Geldes (der Preis zum Launch lag bei 40 Euro) beantragen können - offenbar unabhängig von der sonst auf der Plattform geltenden Zwei-Stunden-Regel zum Umtausch von Games.

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