Warum Werbefiguren zunehmend verschwinden

| Redaktion 
| 07.11.2023

Adieu Hustinettenbär und Frau Antje: Für die alten Helden der Werbung ist die Social Media-Welt zu schnelllebig geworden.

In den Annalen der Werbegeschichte verzeichnet man ein allmähliches Verschwinden jener Ikonen, die einst in leuchtenden Farben die Fernsehlandschaft zierten. Die Frage, die sich nun stellt, ist, welches Schicksal diese einst so beliebten Protagonisten ereilt, wenn sie in den virtuellen Sphären der Social-Media-Plattformen keine Beachtung mehr finden.

Etwa die vielen knuffigen Bären.

Der Bär, einst als charmanter Protagonist in Werbespots omnipräsent, bereicherte die Morgendämmerung mit süßer Kondensmilch (Bärenmarke) und zuckerte den Alltag unserer Kinder mit Fruchtgummis (Haribo), bevor er sich in die Weichheit eines frisch gewaschenen Wäschestapels fallen ließ (Kuschelweich) oder wegen des weichen, dreilagigen Toilettenpapiers mit seinem Popo wackelte (Charmin). Und nicht zu vergessen der Hustinettenbär mit seinen Lutschbonbons. Als Markenrepräsentant demonstrierte er ein Werbetalent, das in der Ära des nächtlichen Testbildes seine Blütezeit erlebte.

Teil der Konsumerziehung

Für die Generation der 40- bis 70-Jährigen, die gemeinsam mit diesen Werbecharakteren vor dem Fernseher saßen, sind dies mehr als bloße nostalgische Erinnerungen – sie waren Teil einer Konsumerziehung. Doch was ist aus ihnen in einer Ära geworden, in der Influencer die Erzählstränge der digitalen Welt spinnen und die einstigen Helden der Werbung in die Annalen der Vergangenheit verdrängt haben?

Fedja Burmeister, ehemaliger Geschäftsführer der Wiener Werbeagentur Jung von Matt Donau, reflektiert über diesen Wandel. "Wir haben die fantastischen Gefilde verlassen und uns in die Realität begeben," erklärt er und verweist auf eine Werbung, die das alltägliche Leben abbildet – eine Werbewelt, in der nicht mehr der Hustinettenbär, sondern das Kind dem erkälteten Vater das heilende Zuckerl reicht. Burmeister sieht eine gewisse Risikoaversion in der Branche. "Es mangelt an Mut. Werbefiguren könnten anecken, doch heutige Marken scheuen die Ecken und Kanten“, erklärt er im Standard. In seinen Augen birgt das Festhalten an diesen prägnanten Charakteren einen wertvollen Mehrwert für Marken, da sie nicht nur das Produkt, sondern auch die Geschichte dahinter unvergesslich machen – und merkwürdig ist hier ein ausgesprochen positives Attribut.

Antje, Tilly und Klementine

Dieses "Storytelling", wie es heutzutage genannt wird, beherrschen die Werbeagenturen weiterhin mit Virtuosität. Man denke zurück an die Agentur Young & Rubicam in Frankfurt, deren Kreativteam auf der Heimfahrt von der Suchard-Schokoladenfabrik beim Anblick einer Kuhweide die Inspiration für die lila Milka-Kuh fand – eine Werbekampagne, die bis heute als ikonisch gilt.

Nicht immer waren es Zeichentrickfiguren, die zum Kauf animierten. Erinnerungen werden wach an Frau Antje, die holländischen Käse verkündete, Tilly, die das Eintauchen ihrer Hände in Palmolive zelebrierte, oder Klementine, die mit Latzhose bewaffnet auch den hartnäckigsten Schmutz besiegte. Die Werbefiguren wurden Teil des kollektiven Bewusstseins, prägten Redewendungen und wurden zu einem Stück Allgemeingut.

Verdrängt Social Media die alten Ikonen?

In der heutigen Ära des Internets, in der die schnelllebige Social-Media-Welt kaum Raum für Beständigkeit bietet, scheinen einige dieser einstigen Werbestars in einen dauerhaften Winterschlaf verfallen zu sein. Die Frequenz der Selbstvermarktung übersteigt die Halbwertszeit potenzieller neuer Werbeikonen, die vermutlich schon vor ihrem Debüt als überholt gelten würden. In dieser digitalen Neuordnung bleibt abzuwarten, wie die Geschichte der Werbeikonen weitergeschrieben wird – oder ob sie endgültig zu einem leisen Echo in den Weiten des World Wide Webs verblassen.

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