Auszüge aus dem Bild-Interview
Bill Gates in Berlin: "In meinen Zwanzigern war ich ziemlich hardcore“

Vergangene Woche hat Bill Gates, Gründer von Microsoft und einer der reichsten Menschen der Welt, den Newsroom der Bild-Zeitung besucht. Im Gespräch thematisierte er Arbeitsmoral, den Einfluss einer wachsenden Familie oder den Fortschritt von KI, forderte eine hohe Erbschaftssteuer und brach zudem eine Lanze für TikTok.

Bill Gates warb in Berlin vor allem für seine Stiftungen und war in diesem Zusammenhang höchstpersönlich beim Plakatieren in der bundesdeutschen Hauptstadt zu sehen, wie er über seine eigenen Social-Media-Kanäle geteilt hat. Das vollständige Video vom etwa 20-minütigen Gates-Interview mit Bild-Chefin Marion Horn im Newsroom des Blattes ist hingegen auf dessen Online-Präsenz abrufbar; es folgen wesentliche Auszüge in Schriftform.

Über sein wohltätiges Engagement:

Ich habe das große Glück, dass der Erfolg von Microsoft zu einem gigantischen Reichtum geführt hat. In den 1990er-Jahren begann ich zusammen mit Melinda zu überlegen, wie dieses Geld in die Gesellschaft zurückfließen könnte. Letztendlich haben wir das Leben von Kindern gerettet und dafür gesorgt, dass Kinder die Nahrung bekommen, die sie brauchen, damit sie körperlich und geistig gedeihen können. Das meiste Geld fließt also in Dinge wie Impfstoffe oder Moskitonetze oder besseres Saatgut, um die Ernährung zu verbessern oder zu verhindern, dass Mütter nach der Entbindung verbluten. Es hat sich also unglaublich gelohnt, denn mit Partnern wie dem Deutschen Bundesministerium für Entwicklung konnten wir bei dieser Arbeit große Erfolge erzielen.

Über Optimismus:

Bei der Organisation von Innovation ist Optimismus ziemlich wichtig. Ob es bei Microsoft um die Software geht oder bei der Stiftung um die Impfstoffe, Ernährung, Landwirtschaft. Wenn man sieht, wie Innovation die größten Probleme lösen kann, dann ist das der Grund, warum wir von zehn Millionen Kindern, die um die Jahrhundertwende vor ihrem fünften Geburtstag starben, auf unter fünf Millionen gekommen sind. Das liegt vor allem daran, dass wir von unseren neun Milliarden jährlich etwa eine Milliarde für Dinge wie Gavi (die globale Impfallianz), Moskitonetze, HIV-Medikamente sowie für die Ausrottung von Polio bereitstellen. Wir geben etwa eine Milliarde und Deutschland gibt auch etwa eine Milliarde – beide Seiten sind also zu gleichen Teilen für dieses wunderbare Ergebnis verantwortlich.

Über Künstliche Intelligenz:

KI entwickelt sich in einem ziemlich guten Tempo, auch wenn es eine Menge Dinge gibt, von denen man weiß, dass es heute noch nicht zuverlässig genug ist. Heute ist der Betrieb der Backend-Server zu teuer, es gibt viel, was wir tun müssen. Aber die Menge an Geld und das gute Denken, das in diese Sache fließt, bedeuten, dass die Verbesserung sehr schnell voranschreitet.

Die WHO sagt, wir bräuchten vier Millionen mehr Gesundheitsfachkräfte in Afrika – nun, das wird nicht passieren. Aber wir haben bereits einen KI-Prototypen vorgestellt, bei dem eine Frau in ihrer Muttersprache Ratschläge erhalten kann. Mithilfe der KI können wir also eine sehr leistungsfähige Gesundheitsunterstützung schaffen. Das gilt für die Bildung, um Kindern Nachhilfe zu geben. Und es gilt für die Arzneimittelforschung. Die Geschwindigkeit, mit der wir neue Impfstoffe entwickeln, wird also noch besser sein als heute.

Es ist wie bei vielen Technologien. Wenn jemand mit negativen Absichten diese Technologie nutzt, kann sie eine schlechte Sache sein. Aber wenn man sich Bereiche wie Gesundheit und Bildung ansieht oder sogar die Arbeit der Regierung effizienter gestaltet wird, dann ist das gut. Die Möglichkeiten sind ziemlich dramatisch.

Bill Gates im Interview (Bild: Bild)

Über die Idee eines KI-Ministers:

Weil KI so weitreichende Auswirkungen hat, glaube ich nicht, dass man einen einzelnen Minister entscheiden lassen sollte, ob man dieses oder jenes damit macht. Aber der Gesundheitsminister, der Bildungsminister, jeder Minister muss überlegen: Wie können wir effektiver sein? Wenn Bürgerinnen und Bürger mit der Regierung interagieren und versuchen, zu verstehen, was vor sich geht: Wie kann die Künstliche Intelligenz dafür sorgen, dass sie eine viel bessere Erfahrung machen, als sie heute haben? Selbst die oberste Führungsebene sollte sich damit beschäftigen. Sie sollten verstehen, dass uns heute noch Grenzen gesetzt sind, aber es sieht so aus, als ob diese Grenzen – was Ungenauigkeit oder die Kosten angeht – ziemlich schnell fallen werden.

Über die eigene Arbeitsmoral im Wandel der Zeit:

In meinen Zwanzigern war ich ziemlich hardcore und für manche Leute ist das in Ordnung. Aber es sollte freiwillig sein und ich habe es bis zum Äußersten getrieben. Und dann, als ich älter wurde und Kinder bekam, war ich es nicht mehr. Ich mache Urlaub, ich mache freie Wochenenden. Bei meinen eigenen Kindern ist es meistens so, dass ich ihnen nicht sage, dass sie härter arbeiten sollen, sondern dass sie sich entspannen sollen. Aber wenn man in diesem Alter ist, will man sich manchmal wirklich beweisen und wenn das die eigene Bestimmung ist, führt das manchmal zu großen Ergebnissen.

Über großväterliche Gedanken:

Ich habe immer versucht, langfristig zu denken. Viele der großen Erfolge beruhen darauf, dass man die kurzfristigen Dinge ignoriert und sagt: Okay, wenn die Chips das Computing kostenlos machen, was wird das bewirken? Viele Leute haben einfach nicht so vorausschauend gedacht. Also wenn Sie eine Enkelin haben, denken sie bestimmt: Wow, sie wird im Jahr 2100 noch leben. Und dann denkt man: Okay, werden wir in Bezug auf die Umwelt, auf Waffen oder andere Dinge in der Lage sein, den heutigen Stand zu erhalten oder zu verbessern? Vor 100 Jahren war das Leben sehr viel schlechter als heute. Wird es weiter aufwärts gehen? Das fragt man sich, wenn man weiß, dass eine Enkelin in dieser zukünftigen Welt leben wird.

Bill Gates im Gespräch mit Marion Horn in Berlin, Mai 2024 (Bild: Bild)

Über seinen eigenen Vater in der Großvater-Rolle:

Er hat die Kinder zur Priorität gemacht. In verschiedenen Altersstufen durften sie sich eine Reise aussuchen, die sie eine Woche lang mit ihm machen konnten. Und es lag an ihnen, zu entscheiden, worauf sie sich konzentrieren wollten. Großeltern können also eine nette ergänzende Rolle zu den Eltern spielen, was hoffentlich für die Enkelkinder sehr bereichernd ist.

Über Erbschaften:

Ich bin der Überzeugung, dass es eine Erbschaftssteuer geben sollte. Die Erbschaftssteuer sollte sehr hoch sein. Ich bin der größte Befürworter der Erbschaftssteuer in den Vereinigten Staaten. Wir haben eine Erbschaftssteuer, es ist eine 55-prozentige Erbschaftssteuer. Das ist für mich sehr seltsam: Die Menschen halten die USA für das kapitalistischste Land, aber das ist in vielerlei Hinsicht überraschend. Das ist eine sehr progressive Sache, die meiner Meinung nach wesentlich höher sein sollte, als sie ist. Wenn man nicht für wohltätige Zwecke spendet und sehr hohe Beträge erreicht, sollte der Satz bei 75 bis 80 Prozent liegen.

Über TikTok:

TikTok ist ein Wettbewerber in den sozialen Medien. Als es die Aussicht auf eine mögliche Veräußerung gab, hat Microsoft zumindest überlegt, ob es sich beteiligen sollte – und ich bin mir nicht sicher, ob sie es wieder tun würden. Wie gesagt, der größte Teil meiner Arbeit bei Microsoft besteht derzeit darin, die KI-Aktivitäten zu gestalten.

… und dessen gesellschaftliche Auswirkungen:

In einer Welt ohne TikTok würde jemand anderes ein TikTok erstellen. Ich meine: Was will die Regierung? Wie können sie Kindern helfen, Dinge zu tun, die in ihrem eigenen Interesse sind? Niemand sollte denken, dass TikTok etwas Negatives hat. Es ist ein Unternehmen, das buchstäblich auf deine Klicks reagiert. Die Frage, wie sehr wir uns zurückhalten sollten, damit man sich nicht in Zeitverschwendung oder verrückten Überzeugungen oder was auch immer verstrickt, gilt für alle Kommunikationsdienste.

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