Neue Genderregeln für Berlins Bedienstete: Outing von oben?

Gastkommentar von Eileen Barnard, Senior Managerin Organisationskultur-DE&I der Sprachlernplattform Babbel.

Laut einem jüngst veröffentlichten Tagesspiegel-Artikel habe die Berliner Senatsfinanzverwaltung in einem Rundschreiben alle Mitarbeitenden des öffentlichen Dienstes dazu aufgefordert, künftig in E-Mails ihre gewünschten Personalpronomen und ihre bevorzugte Anrede zu nennen. Diese Genderregeln seien Mitte Januar an alle Senatsverwaltungen, deren nachgeordnete Behörden, das Abgeordnetenhaus, Bezirksämter und weitere Stellen verschickt worden. Mitarbeitende befürchteten berufliche Nachteile, wenn sie sich nicht an diese Empfehlung halten würden.

Bei Babbel ist die Angabe der Pronomen – beispielsweise in der E-Mail-Signatur – freiwillig und kein Muss. Es kann sehr problematisch werden, wenn dies Pflicht werden sollte, und zwar insbesondere für Landesmitarbeiter:innen. Ihre Pronomen könnten in Bereichen bekannt werden, über die sie keine Kontrolle haben. Das kann dazu führen, dass Menschen gegen ihren Willen geoutet werden. Mit solchen "one size fits all"-Entscheidungen erscheint die Absicht zwar positiv und vielversprechend, aber ihre negativen Auswirkungen können nicht umfassend vorausgesehen werden.

Wenn zum Beispiel die Pronomen einer Person "er/they" sind, kann diese Person einige darum bitten, "er" und andere "they" zu verwenden. Bei uns im Unternehmen ist dies bei manchen Mitarbeitenden der Fall. Jede Person sollte das Recht haben, so viel Kontrolle über ihre eigene Identität zu haben wie möglich.

Bevor jedoch solche Richtlinien verabschiedet werden, sollten andere strukturelle Veränderungen geschehen. Wurden beispielsweise nicht-binäre und trans Menschen in den Verwaltungen vorab zu diesem Thema konsultiert? Leider kommt es oft vor, dass jemand, der von dieser Frage nicht direkt betroffen ist, es für eine tolle Idee hält, ohne mögliche Konsequenzen zu bedenken.

Bei Babbel ermutigen wir alle dazu, ihre Pronomen zu nennen. Dies ist ein Weg, um alle daran zu gewöhnen, über Pronomen zu sprechen, und ist eine von vielen Möglichkeiten für Organisationen, ihr Engagement für Gleichberechtigung zu zeigen. Jedoch sollte niemand gezwungen werden, die eigenen Pronomen in der E-Mail-Signatur anzugeben. Trans und nicht-binäre Menschen sowie Cis Personen können sich aus vielen Gründen dafür entscheiden, ihre Pronomen nicht mitzuteilen, und es ist wichtig, dass wir dies respektieren und den Menschen die Kontrolle über ihre eigene Identität lassen.

www.babbel.de


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