Bossware: Die Schattenseiten des Home-Office

Berichte von auf Laptops installierten Überwachungsprogrammen lassen Arbeitsrechtler aufhorchen.

Für viele von uns bedeutet der Einzug des Home-Office in unser Leben eine große Erleichterung. Ein Gros der Beschäftigten möchte diese neue Form des Arbeitens auch nach der Pandemie zumindest zum Teil beibehalten. Auch die Unternehmen scheinen mitzuziehen.

Airbnb schafft Büropflicht komplett ab

Jüngstes Beispiel ist die Vermittlerplattform Airbnb. Firmenchef Brian Chesky hat angekündigt, die Büropflicht komplett abzuschaffen. Nur einige Angestellte müssten weiterhin ins Büro. Auch der Ort, von dem aus die Arbeit getan wird, soll künftig keine große Rolle mehr spielen – zumindest wenn er sich innerhalb der Landesgrenze befindet. An 90 Tagen im Jahr könne außerdem von überall auf der Welt aus gearbeitet werden.

Aus anderen Unternehmen wird derweil von unliebsamen Nebenerscheinungen der Arbeit im Home-Office berichtet. Der britische Guardian etwa berichtete von einem Analysten eines großen Retailers, der nach Monaten im Home-Office plötzlich via Onlinemeeting gekündigt wurde. Es habe Lücken in seiner Arbeit gegeben, lautete die Begründung. Wie sich später herausstellte, waren mit Lücken Zeitabschnitte gemeint, in denen keine Dateneingaben seines Laptops registriert worden waren. Eine auf dem ihm ausgehändigten Notebook installierte sogenannte Bossware dokumentierte die Bedienung der Tastatur. Anhand der aufgezeichneten Daten errechneten die Algorithmen einen Produktivitäts-Score. Über das Monitoring informiert wurde der Angestellte allerdings nicht.

Algorithmen, die die Gefühlslage der Mitarbeiter erfassen

In der EU wäre eine derartige Überwachung ohne Einwilligung zwar rechtlich nicht möglich. Doch wie so oft auf dem Gebiet herrscht das Credo: Wo kein Kläger, da kein Richter. In den USA ist die Anwendung in den meisten Bundesstaaten nicht verboten. Unternehmen, die solche Produkte anbieten, gibt es jedenfalls schon eine Menge, darunter Namen wie Veriato oder Prodoscore. Prodoscore gibt sogar an, bald die Chats der Mitarbeiter scannen und auf ihre Gemütslage hin analysieren zu können.

Dabei gibt es einige Bedenken von Arbeitsrechtlern und Psychologen: Etwa, dass es nicht automatisch bedeute unproduktiv zu sein, wenn die Tastatur nicht zum Einsatz kommt. Dass beispielsweise jemand, der einem Kollegen hilft, das automatisch als Pausenzeit "angerechnet" bekommt. Dass Betroffene bald nach Wegen suchen würden, um die Spionageprogramme auszutricksen. Und dass sich das Monitoring generell negativ auf die geistige Gesundheit auswirkt und Stress und Angstgefühlen Vorschub leistet. Diese Erkenntnisse habe man schon aus Callcentern geworden. In diesem Sektor sind ähnliche Überwachungsmethoden schon länger im Einsatz. (no)

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