„Unsere e-Residenten kommen nicht nur aus der Gen Z“

| Dagmar Zimmermann 
| 24.09.2023

Schnell und unkompliziert gründen: Das lockt viele Start-ups nach Estland, weil dort eine e-Residency möglich ist. LEADERSNET sprach mit Katrin Vaga, Head of PR bei e-Residency.


LEADERSNET: Spricht Ihr Programm vor allem Millenials und die Gen Z an, weil sie sich Flexibilität in ihrem Leben und ihrer Arbeit wünschen?  

Katrin Vaga: Das Programm spricht vor allem Berufstätige an, die das Ziel haben, ortsunabhängig zu arbeiten und von einem 100 Prozent digitalen Umfeld in Bezug auf Behördendienste und der Möglichkeit, ein Unternehmen vollständig digital zu eröffnen und zu führen, profitieren möchten. Viele e-Residenten sind Start-Up-Gründer und gehören damit zu den Generationen der Millennials und GenZ. Einige e-Residenten sind aber auch älter und bewerben sich für das Programm, weil sie als Freiberufler, Berater, in der E-Commerce- oder IT-Branche einen Nutzen für sich sehen. 

LEADERSNET: Kritiker sagen, dass e-Residency und die damit gesammelten Daten sie zu gläsernen Bürgern machen..? 

Katrin Vaga: Das e-Residency-Programm verwendet die höchsten Sicherheitsstandards für seine digitalen Dienste, einschließlich der digitalen ID, die an e-Residents ausgegeben wird. Das Programm hält sich strikt an die Datenschutzgesetze, wie sie in den EU-Verordnungen festgelegt sind. Die Anträge werden von der estnischen Polizei- und Grenzschutzbehörde bearbeitet. Als E-Resident sind Sie laut Gesetz Eigentümer Ihrer eigenen Daten und haben jederzeit die volle Kontrolle darüber, was mit diesen Daten geschieht. Wenn jemand auf Ihre Daten zugreift, geschieht dies immer mit Ihrer Erlaubnis und hinterlässt einen Zeitstempel, der nachverfolgt werden kann. Während wichtige Informationen über Ihr Unternehmen öffentlich zugänglich sind, bleiben Ihre persönlichen Daten stets Ihr Eigentum, sicher und privat. Das Geschäftsumfeld in Estland ist für sein hohes Maß an Transparenz bekannt, was aus mehreren Gründen ein positives Attribut ist. Diese Transparenz fördert das Vertrauen zwischen Investoren und Partnern, ermutigt ausländische Investitionen und vereinfacht die Einhaltung von Vorschriften. Sie macht Estland zu einem attraktiven Ziel für Unternehmer und Unternehmen, die ein transparentes und zuverlässiges Umfeld suchen. 

LEADERSNET: Kann e-Residency auf andere Länder auf einer 1:1-Basis angewendet werden 

Katrin Vaga: Das Programm könnte auf andere Länder übertragen werden, wenn diese Länder über die gleiche digitale Infrastruktur in Bezug auf ihre Regierungsdienste verfügen, wie sie Estland im Laufe der Zeit aufgebaut hat. Es gibt in der Tat eine Reihe anderer Länder, die ebenfalls eine e-Residency anbieten. Allerdings gibt es leichte bis große Unterschiede zwischen diesen Ländern und der Funktionsweise der estnischen e-Residency, und keines der anderen Programme hat so viele Nutzer angesprochen wie die estnische e-Residency.  

LEADERSNET: Ist es ein Ansatz, dass Sie andere Länder konsultieren, die Ihre „Blaupause“ verwenden?  

Katrin Vaga: Estnische Politiker und Agenturen haben mehr als 60 andere Regierungen auf der ganzen Welt beraten, die das estnische Innovationsmodell für ihren eigenen Weg zu einem unterstützenden digitalen Ökosystem übernehmen möchten.  

LEADERSNET: Gibt es Studien oder Zahlen, die zeigen, dass Start-ups schneller wachsen, wenn sie e-Residenten sind?  

Katrin Vaga: E-Residency of Estonia bietet in erster Linie einen digitalen Zugang zu estnischen Unternehmensdienstleistungen wie Unternehmensregistrierung und -verwaltung, was die Verwaltungsabläufe straffen und die Bürokratie für internationale Unternehmer:innen reduzieren kann. Dies spart Zeit bei der Bürokratie und ermöglicht es den Unternehmern, sich auf ihre geschäftlichen Aktivitäten zu konzentrieren. Estland bietet ein günstiges Steuersystem, einschließlich einer aufgeschobenen Steuer auf reinvestierte Gewinne, was Start-ups dazu ermutigt, ihre Gewinne zu reinvestieren und sich auf Wachstum zu konzentrieren. 

LEADERSNET: Sehen Sie noch Entwicklungspotenzial bei der e-Residency? Kann es noch schneller, besser, anders gemacht werden?  

Katrin Vaga: Ein Bereich, in dem das Programm ständig verbessert wird, ist die Straffung des Prozesses, um die Zeit zu verkürzen, die die Antragsteller benötigen, um ihre digitale ID zu erhalten. Derzeit dauert es im Durchschnitt etwa 65 Tage von der Einreichung des Antrags bis zum Erhalt des digitalen Ausweises. Diese Zeitspanne ist in erster Linie auf die strengen Sicherheitsmaßnahmen und die notwendige biometrische Überprüfung bei der Ausstellung der ID zurückzuführen. Ein weiterer Schwerpunkt des Programms ist die Steigerung des wirtschaftlichen und geschäftlichen Nutzens für Estland. Erstaunlicherweise haben mehr als 30 % der estnischen Start-ups einen eResidenten als Gründer. Um diesen Trend weiter zu verstärken, beteiligt sich das Programm aktiv an Initiativen, die darauf abzielen, mehr Startup-Gründer für das estnische unternehmerische Ökosystem zu gewinnen. 

LEADERSNET: Schafft e-Residency neue, globale Netzwerke?  

Katrin Vaga: Ja, e-Residency schafft neue, globale Netzwerke von Fachleuten aus verschiedenen Bereichen. Innerhalb dieser Netzwerke haben e-Residents die Möglichkeit, Fragen zu stellen, ihre Erfahrungen auszutauschen, neue Geschäftspartner zu finden und neuen Gründern mit Verbindungen und Wissen zu helfen. E-Residents können sich online in Social-Media-Community-Gruppen oder Webinaren treffen oder persönlich an Community-Veranstaltungen teilnehmen, die monatlich in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt stattfinden. Einige E-Residents gründen sogar ihre eigenen lokalen Community-Netzwerke und veranstalten regelmäßige Treffen.    

LEADERSNET: Was bedeutet e-Residency für Ihren Staatshaushalt? 
 

Katrin Vaga: In der ersten Hälfte des Jahres 2023 erwirtschafteten das estnische e-Residency-Programm Steuereinnahmen in Höhe von 37,7 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bis heute hat das e-Residency-Programm Estland Einnahmen in Höhe von 183 Millionen Euro beschert. 

Der größte Teil der Steuereinnahmen 55 Prozent oder 20,6 Millionen Euro stammt aus den Lohnsummensteuern der in Estland registrierten Unternehmen von e-Residents. Die restlichen 45 Prozent 17,1 Millionen Euro stammen aus der Einkommenssteuer für Sonderfälle, hauptsächlich Dividenden. Zusätzlich zu den Steuern zahlten die eResidenten auch 1,4 Millionen Euro an staatlichen Gebühren, so dass sich die wirtschaftlichen Ergebnisse des Programms in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 auf 39,1 Millionen Euro beliefen. 

Man deklariert die Einnahmen (also Dividenden) nur, wenn diese ausbezahlt werden. Ansonsten fallen keine Steuern an, und die Gewinne können weiter reinvestiert werden. Man kann in DE weiterhin gemeldet sein, aber das Business in Estland muss dann auch einen tatsächlichen "halt" vor Ort haben, sei es durch Server, Mitarbeiter oder Ähnliches.
denke steuerlich zahlt sich das ganze nur aus für Unternehmen die kein Geld auszahlen und Leute die hier nicht gemeldet sind weil ansonsten muss man doch die Einnahmen deklarieren und die Differenz zahlen - oder nicht? - man hat nicht weniger sondern mehr Aufwand...

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