Fünf Theorien zur Zukunft der Sprache

| Natalie Oberhollenzer 
| 08.03.2023

Sprachen- und Dialekteschwund, die deutsche Sprache wird unwichtiger: Diese Thesen zeichnen ein Bild davon, wohin sich unser wichtigstes Instrument zur Verständigung entwickelt.

Werden wir in hundert Jahren noch Dialekte sprechen? Ist es möglich, dass sich eine "Weltsprache" komplett durchsetzt? Und welche Bedeutung wird die deutsche Sprache angesichts der zunehmenden Relevanz des Englischen in Zukunft haben? Diesen und weiteren Themen widmete sich die österreichische Tageszeitung Der Standard in einer Befragung unter Sprachwissenschaftlern. Aus den Gesprächen entstanden neun Thesen zur Zukunft der Sprache. Wir haben folgende fünf herausgefiltert:  

  1. Viele Sprachen sterben aus: Wie viele Sprachen auf der Welt gesprochen werden, können Wissenschaftler nur schätzen. Die Unesco geht von rund 6.000 Sprachen aus. Der Linguist Gerhard Jäger, der als Hochschullehrer an der Eberhard Karls Universität Tübingen tätig ist, ist der Annahme, dass bis Ende des Jahrhunderts die Hälfte der Sprachen ausgestorben sein könnte. Besonders betroffen seien Minderheitensprachen in Asien, Afrika, Südamerika oder Australien. Sprachen von Ureinwohnern, die nur noch von den Älteren gesprochen werden. Als Gründe nennt Jäger die Globalisierung, Mobilität und die Massenmedien.

  2. Deutsch verliert an Bedeutung: Die Wichtigkeit der deutschen Sprache nimmt ab. Das vermutet Hannes Scheutz, Germanistikprofessor an der Universität Salzburg. Als mögliche Ursache nennt er die sehr geringe Sprachloyalität der Deutschsprachigen. Kaum Menschen seien stolz darauf, Deutsch zu sprechen. Bei Sprachen wie Spanisch, Französisch sei das nicht der Fall. Und Englisch gelte ohnehin als die Sprache, mit der man am weitesten kommt. Es gilt als trendiger, hilfreicher und cooler. Somit werden auch immer mehr einfache deutsche Wörter mit englischen übersetzt (Bsp.: Location, Commitment oder Support). Außerdem lernen immer weniger Menschen Deutsch als Fremdsprache.

  3. Dialekte werden weniger: Dialekte und Umgangssprache bleiben uns erhalten, allen voran wegen ihrer wichtigen, identitätsstiftenden Funktion. Doch sie werden weniger. Das lasse sich etwa in städtischen Kindergärten und Schulen beobachten. Ein Grund dafür ist, dass viele Menschen nicht mehr ihr Leben lang an ein und demselben Ort leben.

  4. Sprachen werden einfacher und komplizierter zugleich: "Beides passiert gleichzeitig", erklärt Jäger. Der eine Trend sei im Englischen ersichtlich. Wenn Sprachen von vielen unterschiedlichen Nicht-Muttersprachlern verwendet werden, dann vereinfacht sich die Grammatik. Im Deutschen erkennen Germanisten den sogenannten Präteritumschwund. Die Zeitform ("ich tat"), weicht immer mehr zugunsten der Perfektform ("ich habe getan") zurück. Auch der Genitiv werde immer weniger genutzt. Noch schneller verändert sich aber der Wortschatz. In der sich permanent wandelnden Welt kommen immerfort neue Wörter hinzu, während alte aus dem Wortschatz verschwinden.

  5. Es setzt sich keine Universalsprache durch: Es klänge verlockend. Alle Menschen sprechen dieselbe Sprache und verstehen einander. Doch das Szenario ist denkbar unwahrscheinlich. Denn bisher seien alle Versuche, eine Universalsprache zu kreieren gescheitert. Die Kunstsprache Esperanto etwa habe sie niemals in der Form durchgesetzt, wie es sich dessen Macher gewünscht haben. Wahrscheinlicher ist es, dass große Sprachen wie Chinesisch oder Englisch zu einer universalen Zweitsprache werden.
Julia Isbrücker
Bla, blah, blahh,

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