Mit diesen Sorgen plagen sich deutsche Schuldner

| Alexander Schöpf 
| 18.07.2022

Neue Studie gibt Einblick, wie die Deutschen mit ihren Schulden umgehen.

Über Geld spricht man nicht – und über Schulden augenscheinlich noch weniger. Obwohl Schulden ein Massenphänomen sind, ist erstaunlich wenig über betroffene Menschen und die Auswirkungen auf ihre Gesundheit bekannt. Der digitale Finanz-Coach Fabit und das Inkasso-Unternehmen Coeo nahmen sich des Themas an und befragten in Deutschland wohnhafte Schuldner nach ihren Lebensumständen, ihrer Schuldensituation und auch danach, wie die belastende Situation sich auf ihre Gesundheit auswirkt.

Jeder Fünfte hat Schulden

Mindestens jeder fünfte Deutsche hat Schulden: 6,16 Millionen Menschen gelten, laut dem Schuldneratlas von Boniversum, in Deutschland als überschuldet. Dem Risiko- und Kreditkompass 2021 der Schufa zufolge mussten 12,4 Millionen Deutsche Ende 2020 mindestens einen Ratenkredit abstottern. Wie viele Bürger zudem bei Händlern, Familie und Freunden Rückstände haben, ist nicht bekannt.

© Coeo
Coeo-CEO-DACH Sebastian Ludwig © Coeo

"Daten zu Schulden und Schuldnern sind schwer zu bekommen", weiß auch Sebastian Ludwig, CEO DACH der Coeo Group. "Oft werden sie erst erhoben, wenn Menschen in die Überschuldung rutschen oder sich schon seit Jahren in dieser Lage befinden. Wir kennen die Menschen aus persönlichen Gesprächen in unseren Kontaktcentern. Mit unserer gemeinsamen Studie haben wir versucht, mehr Transparenz und damit ein besseres Gesamtbild zu schaffen."

Wer ist „der Schuldner"?

Eins gleich vorweg: Den einen Schuldner gibt es nicht. In Deutschland gelten zwar bei Weitem mehr Männer als überschuldet (Überschuldungsquote Männer: 11,7 Prozent, Frauen: 6,75 Prozent) und beantragen auch öfter eine Privatinsolvenz (Männer: 60,1 Prozent, Frauen: 39,9 Prozent, allerdings scheinen Schulden an sich mehrheitlich ein weibliches Phänomen zu sein: Knapp sechs von zehn befragten Personen (57,7 Prozent) sind Frauen.

Auch beim Alter überraschen die Ergebnisse: Mehr als ein Drittel der Befragten (34,6 Prozent) ist jünger als 29 Jahre und macht damit die größte Gruppe der Schuldner aus. Das Durchschnittsalter hingegen liegt bei 35,6 Jahren. Der Großteil (40,9 Prozent) gibt an, alleinstehend zu sein. Jeweils ein Viertel lebt in einer Beziehung (24,2 Prozent) oder ist verheiratet (24,5 Prozent). Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55,8 Prozent) sind Eltern.

Der Hauptüberschuldungsgrund bei jungen Menschen ist zumeist die unwirtschaftliche Haushaltsführung, also der wiederholt übermäßige und überflüssige Konsum, der über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Aber auch mangelndes Finanzwissen trägt seinen Teil dazu bei. Dazu zählt zum Beispiel, dass viele junge Menschen nicht wissen, wie sie mit Ratenkäufen und -krediten umzugehen haben oder welche Versicherungen tatsächlich notwendig sind.

Höheres Einkommen, höhere Schulden

Fast die Hälfte der befragten Schuldner (48,2 Prozent) geht einem geregelten Job nach. Nur jeder Zehnte (11,8 Prozent) studierte oder absolvierte eine Ausbildung zum Zeitpunkt der Befragung. 19,3 Prozent waren arbeitssuchend. Junge Menschen in finanzieller Schieflage stehen noch am Anfang ihrer Karriere, was wiederum ein niedriges Einkommen erklären könnte.

© Fabit GmbH/Mike Auerbach
Fabit-Gründer Ralf-Michael Schmidt © Fabit GmbH/Mike Auerbach

"Allerdings sagt das Netto-Einkommen nichts darüber aus, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand Schuldner wird", ordnet Ralf-Michael Schmidt, Gründer von Fabit, die Ergebnisse ein. Die Daten zeigen vielmehr, dass die Schuldenhöhe mit steigendem Einkommen eher zunimmt.

Geldsorgen führen in Isolation und machen krank

Finanzieller Stress, Geldsorgen und Schulden belasten Betroffene und wirken sich auf alle Bereiche des Lebens aus. Der Stress hat einen zerstörerischen Einfluss auf die Beziehungen zu Freunden, Kollegen und innerhalb der Familie. Wenn am Ende des Monats kein Geld mehr übrig ist und auch noch Finanzprobleme die Situation belasten, überkommt viele Betroffene ein Gefühl der Ohnmacht.

Ein Großteil der Schuldner (73,5 Prozent) gibt an, sich allein beim Gedanken an die Finanzen wie gelähmt zu fühlen, knapp acht von zehn der Befragten fühlen sich in ihrem Alltag massiv eingeschränkt und verzichten auf Anschaffungen und Aktivitäten. Dazu kommt die Sorge, sich lebensnotwendige Ausgaben wie Lebensmittel nicht mehr leisten zu können (41 Prozent). Die anhaltenden Preissteigerungen der letzten Monate bei Lebensmitteln und Energie dürften dazu geführt haben, dass mittlerweile noch mehr Menschen diese Ängste teilen.

"Scham, Angst und Wut sind nur einige Gefühle, die Schuldner dabei empfinden, wenn sie über ihre finanzielle Situation nachdenken", fasst Schmidt die Ergebnisse zusammen. "Aber auch Trägheit, Traurigkeit und das Nichtvorhandensein von Zuversicht führen unweigerlich zu einem psychischen und emotionalen Erschöpfungszustand." Sechs von zehn der befragten Betroffenen (58,9 Prozent) gaben an, auch psychisch unter ihrer Situation zu leiden. Depressionen, Angstzustände und Burn-out sind keine Seltenheit. 60,9 Prozent berichten zudem von körperlichen Problemen wie Appetitlosigkeit, Schmerzen und Schlafproblemen. Erkrankungen, Sucht und Unfälle zählen zu den Hauptauslösern von Schulden und Überschuldung. Dass aber auch Schulden krank machen können, ist vielen nicht klar. Umso wichtiger ist es, den Menschen dabei zu helfen, aus ihrem finanziellen Dilemma herauszukommen.

Schlechtes Verhältnis zu Geld in die Wiege gelegt?

Schulden beeinflussen auch die persönliche Einstellung zu Geld und Finanzthemen. Die Ergebnisse der Studie "Schulden in Deutschland: Wie ticken Konsument:innen im Kontext finanzieller Herausforderungen?" zeigen, dass bei Schuldnern negative Assoziationen zu diesen Themen stark überwiegen. Zwar stimmen fast alle Befragten (85,8 Prozent) der Aussage, dass Geld einem ein schönes Leben ermöglichen kann, zu, jedoch geben sie in ähnlich starkem Ausmaß (82,9 Prozent) an, sich ständig Sorgen über Geld zu machen.

Lediglich einem Viertel (25,2 Prozent) ist es nicht unangenehm, offen über das Thema zu sprechen. Wird eine solche Einstellung zu einem Glaubensgrundsatz, ist es schwer, ein positives Verhältnis zu Geld, Finanzplanung und Vorsorge zu entwickeln. Das Finanzverhalten wird in erster Linie im Elternhaus erlernt. Beobachten Kinder dieses in der Familie, ist die Wahrscheinlichkeit, es später zu übernehmen, groß.

www.coeo-group.com

www.fabit.app

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